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Typen und Abarten der Verbannung


Verbannung, das gewaltsame Festhalten von Menschen an bestimmten Orten, mit den Worten A. I. Solschenizyns "die Ansiedlung mit zusammengebundenen Füßen" ("Archipel GULAG", Teil 6, Kapitel 1), unter der Aufsicht von Strafkommandos (GPU, OGPU, NKWD, MWD), mit festgelegten Strafen für die "Flucht" vom Verbannungsort (meist in der Art von Lagerhaftzeiten), jedoch in der Regel nicht in Gefängniszellen und nicht hinter Stacheldraht, gehörte bereits seit den zwanziger Jahren zu den Strafpraktiken des kommunistischen Regimes.

Nach der heutigen offiziellen Terminologie bezeichnet man mit diesen Worten nicht jede Verbannung, sondern lediglich jene, die durch ein Gericht oder ein "außergerichtliches Organ" (einer Sonder-Beratung u.ä.) angeordnet wurden und dabei entweder "befristet" waren, d. h. unter Festlegung einer Verbannungsdauer, oder "für immer", was im Einzelfall ebenfalls zu den befristeten Verbannungen gerechnet werden kann, nur eben mit einer Frist gleich der Unendlichkeit.

In den übrigen Fällen bedeutet Verbannung soviel wie "Sonderansiedlung", was einige unangenehme Rechtsfolgen nach sich zieht. So ist laut Gesetz der Russischen Föderation "Zur Regelung staatlicher Renten" die "Verbannungs"zeit in den Jahren der Berufstätigkeit mit eingeschlossen, und zwar sogar in dreifacher Höhe, aber die Dauer der "Sonderansiedlung" wird dort überhaupt nicht angerechnet.

Tatsächlich zählte man allein in den dreißiger bis fünfziger Jahren in der UdSSR mehr als dreißig unterschiedliche Verbannungskategorien, und jede einzelne dieser Kategorien besaß ihre eigenen Instruktionen (hinsichtlich der Verfahrensweisen während der Verbannung, der Art der Überwachung der Verbannten, u.ä.).

Nun ist es üblich, die "nichtgerichtliche" und "nicht außergerichtliche" Verbannung als administrativ zu bezeichnen. Aber dieser Ausdruck entspricht nicht der historischen Praxis: in den zwanziger und dreißiger Jahren wurde gerade jene Verbannung administrativ genannt, die aufgrund einer außergerichtlichen Entscheidung rechtskräftig wurde. Sie trug im wesentlichen in vielen Fällen die offizielle Bezeichnung "Ausweisung", obgleich Ausweisung im engen Sinne "Minus" bedeutet (-5, -12, -25), d.h. das Verbot, in Haupt- oder anderen großen Städten zu leben. Im übrigen schickte man diese "Minuspunktler" gewöhnlich an Orte, die nicht von ihnen selbst, sondern von den Straforganen ausgewählt wurden, und bei Ankunft am Ort der "Ausweisung" stellte man sie unter "Sonderregistratur", unter Kommandantur, genauso wie die ganz "gewöhnlichen" Verbannten.

Und jene Verbannung, die heute "Sonder-Ansiedlung" genannt wird, trug im Laufe der dreißiger und vierziger Jahre größtenteils die offizielle Bezeichnung "Arbeitsansiedlung".

Dementsprechend hießen die Verbannten "Arbeitssiedler" oder, seltener, "Arbeitsumsiedler".

Man muß nicht meinen, daß alle Kategorien von Verbannten sich unbedingt bei der Sonder-Kommandantur eintragen lassen mußten. Zumindest zwei Kategorien wurden nicht in der Kommandantur registriert, und über sie wurden auch keine "persönlichen Akten" geführt.

Das waren:

In der Regel besaßen die Verbannten keine Pässe (und denjenigen, die einen hatten, wurde er von der Kommandantur abgenommen). Aber diese Regeln unterlagen Ausnahmen, sogar bei den verbannten Bauern in den dreißiger Jahren. Einigen ingermanländischen Finnen wurden die Pässe nicht weggenommen. Und letztendlich nahm man auch den nach dem berühmt-berüchtigten Chruschtschow-Erlaß über Nichtstuer zwischen 1961 und 1964 in die Verban-nung Geschickten den Paß nicht ab. Diese Verbannung wurde sowohl in einem ordentlichen Gerichtsverfahren (wie z.B. im Falle des großen Brodsky), als auch (wahrscheinlich häufiger) auf dem Verwaltungswege durch eine Entscheidung des Kreis-Exekutivkomitees rechts-kräftig. Man muß wissen, daß in diese Bestrafungskampagne nicht so viele Persönlichkeiten der Literatur und Kunst hineingerieten (z.B. leistete in unserer Region, und ausgerechnet in Bolschoj Uluj, der bekannte Moskauer Dichter Batschew seine fünf Jahre ab), wie dem kommunistischen Regime besonders unerwünschte Gläubige: Adventisten, Anhänger der Pfingstkirche, wahre Orthodoxe, Zeugen Jehovas und andere.


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