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Nordwiker Notizen

(Tagebuch der „Memorial“-Expedition)

Mehr Fotos – hier

Wir. Unterwegs. 22.07.90

Wir hatten von Anfang an Glück mit den Transportmitteln. Wir schleppten unsere Rucksäcke (449 kg, verteilt auf acht Leute) und fingen an per Anhalter einen Lastwagen zu erhaschen, denn kein einziges Taxi hätte uns mitgenommen. Aber die LKW-Fahrer wollten nicht anbeißen und die Zeit drängte. Grischa Matwienko trat auf die Straße hinaus und brachte dadurch ganz ungezwungen einen Oberleitungsbus zum Halten. Er und der Busfahrer lächelten einander zu, der Fahrer ließ sein Fahrzeug direkt neben unsere Rucksäcke rollen, wir luden sie ein, und dann fuhren wir los. Das Einzige, was uns jetzt noch beunruhigte war die „Schmon“ am Flughafen.

(Anmerkung. Nachdem die Mitglieder von „Memorial“ schon lange Zeit mit äußerst spezifischem Material gearbeitet hatten, hatten sie sich ganz unbewusst einige typische Ausdrücke und Lager-Witze angeeignet. Sagen wir mal, wenn ein Memorialer zu Hause irgendein wichtiges Stück Papier verlegt hatte, dann tröstete man ihn mit den Worten: „Macht nichts, die Staatssicherheit wird kommen und es ganz sicher finden“. Ein unbestätigtes Gerücht wird bei „Memorial“ nicht anders als ein „Eimer Scheiße“ bezeichnet, und es ist ein Muss, einem Memorialer, der sich etwas hat zu Schulden kommen lassen, zu sagen „Deine Essensration fällt heute aus!“ Manch einem mögen unsere Scherze düster vorkommen, aber irgendwie muss man sich ja auch entspannen. Um das „memorialische“ Kolorit beizubehalten und dabei nicht gleichzeitig den Leser zu verwirren, werde ich anhand des Buches „Wörterbuch des GULag“ von Jacques Rossi, Overseas Publication Interchange Ltd., London, 1987, Auskunft erteilen. SCHMON – Filzung.

Also, das Einzige, was uns Sorgen bereitete, war das Filzen am Flughafen. Verbotenes hatten wir überhaupt nicht bei uns, und wir beabsichtigten auch keineswegs an den Nordpol zu emigrieren, aber unser Gepäck lag irgendwie außerhalb jeden Rahmens. Aber alles ging gut aus, alle Rucksäcke überstanden den Durchleuchtungsapparat, sogar der von Grischa Matwienko, dessen Umfang und Fassungsvermögen ich unmöglich beschreiben kann: dafür benötigte man schon so einen hartgesottenen Epenschreiber in der Art eines Anatolij Iwanow.

Natürlich stopften wir mit unserem ganzen Kram die arme JAK-40 bis zum Geht-nicht-mehr voll und verstauten dabei das meiste auch noch mehr auf der rechten Seite. Die JAK, dir normalerweise praktisch beinahe aus dem Stand abhebt, schlingerte lange Zeit auf dem Startstreifen entlang, bis sie sich schließlich vom Boden löste und mit einer Rechtsneigung langsam an Höhe gewann. Die Expedition „NORDWIK-90“ hatte begonnen.

Sie. Unterwegs.

Auf welche Weise das Sonderkontingent zum Nordwiker Unternehmen gelangte, ist bislang noch nicht genau bekannt.

(SONDERKONTINGENT – beliebige Kategorie von Personen, Freien, Halbfreien, Gefangenen, die zusätzlichen administrativ angeordneten Einschränkungen im Lebens-und Arbeitsbereich ausgesetzt sind. Zum Beispiel: außerhalb von Zwangsarbeitslagern und Gefängnissen lebenden Personen – Deportierte, Verbannte, Sonderumsiedler, Angehörige der Arbeitsarmee, Kriegsgefangene, Häftlinge.(Rossi).

Das Nordwiker Unternehmen existierte seit 1936. In den Buchten von Nordwik und Koschewnikowa wurden Kohle- und Salz-Vorkommen gefunden, außerdem suchte man dort nach Erdöl. Irgendjemand musste hier, am 74. Breitengrad, arbeiten, aber natürlich reichten die Mittel nicht. Die Entscheidung darüber war zynisch und einfach: was ist im Land der Sowjets am billigsten? Menschen … Und schon schwammen auf dem Jenisej die Lastkähne mit ihrer „Ware“. Und genau so wurden die Menschen im GULag-Jargon auch genannt. Oder auch „Stämme, Holzbalken“; so schrieb man es auch in den Frachtbriefen: „570 Balken“. 1936 mangelte es an „Balken“: noch waren nicht alle Bauern zerschlagen, auch der Kampf gegen die Trotzkisten war immer noch in vollem Gange, und zur rechten Zeit kamen auch noch die Bucharin-Anhänger. Die völlig auf den Kopf gestellte Wirtschaft konnte sich allenfalls durch Zwangsarbeit auf den Beinen halten – und teilweise auch auf unklugem Enthusiasmus.


Die Memorialer: Marina Glebowa, Marina Paramej, Aleksej Babij,
Irina Dobrorodnaja, Wladimir Sirotinin

Also wurde die “Ware” höchstwahrscheinlich auf Lastkähnen bis nach Dickson gebracht; anschließend, nun bereits auf Seeschiffen, umfuhr man die Halbinsel Taimyr und gelangte so in die Bucht von Chatanga. Obwohl nicht ausgeschlossen werden kann, dass man sie auch über den Nordmeer-Seeweg aus Archangelsk, Murmansk brachte, zumal das Nordwiker Unternehmen zur Organisation des Nordmeer-Seewegs gehörte.

Leider ist dies einstweilen nur eine Vermutung. Wir haben bislang keinen einzigen Menschen aus den nördlichen Lagern (außer dem Norillag) gefunden. Es gibt Leute aus dem Karlag, von der Kolyma, aber aus diesen Lagern – niemand. Ob ihr Abtransport zu kostspielig war und man sie deshalb einfach an die Wand stellte (eine ganz gewöhnliche Angelegenheit in unserem Lande) oder ob sie aufgrund der alle Kräfte übersteigenden Arbeit starben, ist nicht bekannt. Allerdings waren in Nordwik vorwiegend keine Gefangenen, sondern Verbannte. Vielleicht meldet sich ja jemand?


Marina Glebowa, Irina Dobrorodnaja. Im Hintergrund – Aleksej Babij,
Oleg Tichomirow, Aleksander Neschumajew

Wir. Unterwegs. 26.07.90

Die klarsten Eindrücke von Chatanga. Erstens: der Garten neben dem Flugplatz. Inmitten des Drecks ein provisorisches Häuschen, Rohre und andere Gegenstände unvollendeter Bautätigkeit, und dieses Gärtchen, in dem sich mit Müh und Not Zwerg-Birken hinaufrecken, in dem hohes, dichtes Gras wächst (was im Polargebiet eine schier unmögliche Sache ist) – es scheint, als seien dies die Gärten der Semiramis. Wenn gleich es sich hier tatsächlich im Puschkars Gärten handelte, ein Mann, ohne den die Geschichte des Luftfahrtbetriebs von Chatanga überhaupt keine Geschichte wäre. Zweitens: das Ufer (oder, genauer gesagt, das Ufer am Seehafen). Beeindruckendere Schutthalden hatten wir bis zu dem Zeitpunkt noch nie gesehen. Was da alles herumlag: Konservendosen, Flaschen, Draht, Rohre, Reifen, Fässer, Barkassen, Balken, Feuerwehr-Schläuche, Stücke von Eisen und Beton, verrostete Leitern, Wagenkästen von Fahrzeugen, Taue, Bretter, Träger, Armaturen, Lumpen, Blech, Felgenkränze, Metallklammern, Kisten, Elektromotoren, Polyethylen, eine Puppe, Deckel, Fassböden, Ziegelsteine, Überreste von Traktoren, Geländefahrzeugen, Kippern und anderen Fortbewegungsmitteln, Hebekräne und vieles andere mehr, was wir nicht genau zu bestimmen vermochten. Übrigens, nach Nordwik sah die Müllhalde von Chatanga eher nüchtern aus, doch zu Nordwik - später mehr.


Chatanga. Gri Ubiwez, der Chef und ein pinkelnder Hund

Ein paar Tage später flogen wir zu einem Erkundungsflug ab. Den Leiter der Expedition W.G. Sirotinin (den die Memorialer übrigens, weil es kürzer ist, „Chef“ oder „W.G.“ nennen) verfrachteten wir auf eine Art Stange zwischen den Pilotensesseln, wodurch er mit seinem Haarschopf und der gekrümmten Nase einem Papagei noch viel ähnlicher sah. Unser Fotograf Sascha Kupzow war restlos begeistert – sowohl vom Chef, als auch von der Tundra. Und die sah tatsächlich prächtig aus: gesprenkelt wie ein Tarnanzug, uneben wie ein Schildkrötenpanzer, bunt bemalt mit den unmöglichsten Farbschattierungen. Der ewige Frost schmilzt aus irgendeinem Grund in der Form von Rechtecken weg, und von oben erscheint die Tundra als großes Feld, das ganz gerade in kleine Parzellen zerschnitten wurde. Beim Anblick dieser Parzellen würde jeder Außerirdische sagen, dass es auf der Erde vernünftiges Leben gibt. Und er irrt sich natürlich. Drum herum ist nichts. Überhaupt nichts. Die Gegend ist kahl wie ein Knie. Gott ist es gelungen hier Land und Wasser zu schaffen, alles andere ist nicht rechtzeitig fertig geworden: er hatte zu viel zu tun.


Erkundungsflug. Wladimir Sirotinin, Aleksander Wychristjuk, Aleksej Babij


Boris Pestrjakow, Wladimir Sirotinin

Der Kameramann aus Moskau, Sascha Wychristjuk, ein Polarwolf, hat sich an die Schönheiten der Natur bereits gewöhnt, deswegen döst er in Erwartung der Lager-Realität ein wenig vor sich hin. Boris Pestrjakow, dem Direktor der Firma „SOLO-POLJUS“, lieben die Tundra und unterhalten uns in aller Ruhe. Pestrjakows ganze Liebe (und inzwischen nicht nur die Liebe, sondern auch das Business) – gehört dem Norden. Neben Expeditionen, in der Art wie unsere, sowie sportlichen Wanderungen, wie im Falle von Fjodor Konjuchow, hat er die Absicht, Reiserouten für gewöhnliche Touristen zu organisieren. Bis zu einem gewissen Maß sind wir so etwas wie ein Versuchsballon, denn die meisten von uns blicken höchstens auf Ausflüge in den Stolby-Nationalpark plus eine Floßfahrt auf dem Flüsschen Mana zurück. Im Hohen Norden sind wir zum ersten Mal.

- Na, was ist? – fragt Pestrjakow. Ich sage: „Das ist der Hammer!“. Aber weil ich das dann doch für unzureichend halte, präzisiere ich: „Der totale Hammer!“ Hier zu leben – das ist natürlich etwas für einen Liebhaber, aber ich würde im Sommer, wenigstens noch einmal mit den Kindern, hierher fliegen, und es würde mir nicht um das Geld leidtun, damit sie auch das sehen können, was ich gesehen habe.


Aleksander Kupzow, Marina Paramej. Boris Pestrjakow erzählt
Von der Zukunft des Touristen-Geschäfts

Aber stellt euch mal vor, sage ich, wenn da so eine AN-2 mit Touristen über die Tundra fliegt, und aus dem hinteren Teil des Flugzeugs kommt eine Stewardess, so wie sie sein soll, und bietet Schnaps an – verdünnt auf die in der Polarregion übliche Weise, d.h. 72% Alkohol und 28% Wasser. Das, lacht Pestrjakow, ist keine schlechte Idee.


Chatanga. Boris Pestrjakow, Wladimir Sirotinin, Aleksej Babij

Und außerdem, sage ich schon etwas weiter denkend (denn ich verstehe ja auch etwas vom Business!) kann man auch Ausländer hierher bringen! Darum geht es ja gerade, meint Pestrjakow. Hinbringen mit dem Hubschrauber, eine Woche in der echten Tundra leben – mit Fischfang und Jagd …..

Ehrlich gesagt, vor dieser Expedition hatte ich Pestrjakows Ideen skeptisch gegenüber gestanden. Jetzt war ich bereit, an allen Straßenkreuzungen Propaganda dafür zu betreiben. Und, falls die Familien-Reiseroute durch die Polarregion Realität werden sollte – dann würde ich als Erster in der Schlange stehen.

… Der Chef auf seiner Vogelstange zeigt, aus dem Bullauge schauend, auf etwas. Das erste Tüpfelchen: Kap Ilja und die Siedlung Koschewnikowo. Direkt in der Bucht, eingetaucht in den Schlamm, liegen Lokomotiven. Zerbrochene Barkassen liegen herum. Kupzow gerät in Exstase und springt von einem Fenster zum anderen. Skelette von Häusern schimmern weißlich im Sumpf. „Wie menschliche Knochen!“ – meint Sascha. Mehrmals überfliegen wir das Kap und durchforsten bald darauf schon den Luftraum über Juschnij Tigjan. Dort unten liegt, lang ausgestreckt, ein Erdöl-Bohrturm. Die Häuser sind viel besser erhalten geblieben als in Koschewnikowo. Hier wird es wohl interessanter sein. Und schließlich der letzte Punkt: Kap Nordwik. Kupzow stöhnt vor Wonne: untergegangene Schiffe, eingestürzte Häuser, eine Schmalspurbahn: wie viel Realität! Der Chef und ich überlegen uns die Verteilung: wir brauchten drei Gruppen mit je drei Leuten. Aus Sicht der Fotografen ist Nordwik am reizvollsten. Für die „Memorialer“ ist Tigjan am interessantesten: es ist am wenigsten zerstört. Wir überlegen hin und her, aber in der Tat wird kein Fotograf auf Nordwik verzichten wollen und kein „Memorialer“ – auf Tigjan.

Wir. Kap Ilja. 27.07.90

Eines der grundlegenden Gesetze des Polargebiets: der Hubschrauber kommt nie dann an, wenn du ihn erwartest. Eine der Folgen dieser Gesetzmäßigkeit: Ich, Ira Dobrorodnaja und der Fotograf Sascha Neschumajew (Expeditionsspitzname Saschchen-Taschkent) stehen mitten im Sumpf vor dem Haufen Rucksäcke und machen die Erfahrung, wenn auch nicht eines Jack London, so doch zumindest die eines Viktor Konezkij. Nur gut, dass wir gestern wenigstens schon die Rucksäcke zurecht gelegt hatten, sonst würde, wenn zufällig ein Hubschrauber auf dem Weg in die Bucht von Koschewnikow vorbeikäme und uns mitnehmen könnte, die Hälfte der Expeditionsteilnehmer durch Chatanga spazieren, die übrigen schlafen oder die Pfirsiche in Konservendosen verschlingen, die in den örtlichen Geschäften in Massen vorhanden waren. Selbstverständlich wurde aus allen Plänen in puncto Gruppen-Formierung nichts. Den müden Saschchen warfen sie aus dem „Drehstuhl“ (Hubschrauber; Anm. d. Übers.) und ließen als Zugabe von oben noch einen großen Sack mit Lebensmitteln herunterpurzeln. Schlaftrunken schrie er, dass er doch für Nordwik auserkoren sei, aber dafür war es ja nun zu spät.


Kap Ilja

Wir richteten uns ein, wie es besser gar nicht möglich sein konnte. Ein Haus war zusammen mit einem Ofen, Pritschen und sogar Fensterscheiben noch erhalten geblieben. Der Ofen heizte und qualmte hauptsächlich das Innere der Holzhütte voll, aber das war immer noch besser, als ein Leben im Zelt. Ira entdeckte nahe der Siedlung Lichtungen, die mit Pilzen übersät waren, und so gab es zu unserem allerersten Mittagessen – Pilze mit Kartoffeln. Im Übrigen kamen uns Pilze, Fische und Wild gerade recht: mit unseren Lebensmitteln sah es kümmerlich aus. Die Sowjetmacht verhielt sich unserer Expedition gegenüber so, wie es sich für eine Sowjetmacht gehört. Das Bezirksexekutiv-Komitee schrieb ans städtische Exekutiv-Komitee: sie sollten dort nach einer Möglichkeit suchen, die Versorgung mit den notwendigen Lebensmitteln sicherzustellen, das städtische Exekutiv-Komitee tat lange Zeit so, als ob es suche; danach bat es zwei Wochen lang darum, doch morgen oder übermorgen noch einmal anzurufen, und drei Tage vor unserem Abflug gab es endlich vor, eine Möglichkeit für unsere Lebensmittel-Versorgung gefunden zu haben. Wir fühlten uns nicht beleidigt: hochwertige Produkte waren unbedingt erforderlich, und auf einer Polar-Expedition musste man schon irgendwie durchkommen. Alle gaben uns für unsere Reise etwas dazu: von dem Einen bekamen wir ein Dutzend Dosen mit geräuchertem, eingelegten Fleisch, von dem Anderen Dosenmilch, und Lidia Fominitschna Tschemerisjuk, ein ehemaliges Repressionsopfer, brachte ein paar Dosen Kaffee. In der Hauptsache aber kauften wir schnelllösliche Suppen und trockenen Zwieback sowie Kartoffeln. Mit memorialischem Humor wurde sogar der Vorschlag ausgesprochen, sich wie ein Häftling jener Zeiten zu verpflegen.

(Übrigens: TAGESRATION DER SOWJETISCHEN GEFANGENEN: Brot – 450 g, Zucker – 7 g, Grütze – 80 g, Fisch – 132 g, Fleisch – 21 g, Gemüse – 500 g, Speiseöl – 9 g, Mehl – 6 g (Rossi). Wir fügen hinzu, dass die Häftlinge Fleisch und Zucker nicht zu sehen bekamen, die Grütze ausschließlich aus Perlgraupen bestand und man unter Gemüse entweder verfaulten Kohl mitsamt dem zerhackten Strunk oder gefrorene Kartoffeln verstand. Wir fügen auch hinzu, dass die Hälfte der Lebensmittel von „bevorzugten“ Gefangenen, die in der Lagerverwaltung einen Job innehatten, oder Berufsverbrechern entwendet wurden.)

Wir und sie. Kap Ilja. 28.07.90

Aus dem Expeditionstagebuch: „Objekt Nr. 15. Wohnhaus (Balkenbau). Zimmergröße: 3,5 x 3 m, Decke 2,10 m, teilweise eingestürzt. Ein Fenster gegenüber dem Eingang, Größe 40 x 70 cm. Ziegelofen, völlig zerstört. Wände aufgeschüttet: an den vertikalen Balken befinden sich angenagelte Bretter von Kisten, zwischen den Brettern Schlacke. Wanddicke: 25 cm. Von innen sind die Wände mit dem Karton von Schachteln beschlagen. Die Zimmerdecke ist mit Zeitungen „Für die Industrialisierung der Arktis“ beklebt. Erhaltene gebliebene Möbel: ein Doppelbett, ein in der Ecke aufgehängtes Schränkchen. Erhalten gebliebene Sachen: ein Frauenstiefel aus der Fabrik „Rotes Dreieck“, Größe 36, Kinderschnürschuhe für einen drei- bis vierjährigen Jungen, ein emaillierter Topf, ein Bügeleisen. Vermutete Familiengröße: drei Personen“.


Balkenhäuser der Sondersiedler

Das ist die Sprache des Protokolls. Emotionale Wahrnehmung: das Doppelbett steht seitlich verschoben da, es sieht irgendwie unheimlich, wie mit unsichtbarer Hand zusammengedreht aus. Der Kinder-Schnürschuh liegt in einem kleinen Tümpel neben dem Haus, und all das erinnerte an die berühmte Szene aus dem Film „Stalker“: das teilnahmslose Wasser, der sandige Untergrund – und eben dieser Schuh, das verschüttete Bügeleisen, allerlei Kleinigkeiten des alltäglichen Gebrauchs. Überhaupt – hätte man Tarkowskijs „Stalker“ hier gedreht, hätte man für die Dekoration kein Geld verschwenden brauchen. Eine ganz reale Zone.

Zu den Möbeln. Irgendwelche anderen Möbel kann es hier überhaupt nicht geben: welche Möbel soll man denn schon in einem Zimmerchen von 9 qm Größe aufstellen, wenn die Hälfte des Platzes auch noch vom Ofen eingenommen wird? Je größer der Raum, desto schwieriger ist es, ihn zu beheizen. Vielleicht ist das der Grund, weshalb die durchschnittliche Fläche der Balkenhäuser nur 10-12 qm betrug. Zur Pappe. Das ist nicht die schlechteste Variante: wir bekamen auch Häuser mit kahlen Wänden zu sehen. Aber es ist auch nicht die beste Methode: zwei-drei Häuser sind verputzt, in einem gibt es sogar Tapeten, aber im allgemeinen sind die Wände mit Furnierholz beschlagen.

Und noch etwas zur emotionalen Wahrnehmung. Wir bemerken, dass hier FAMILIEN lebten, dass hier Kinder geboren wurden und auch starben (sie sind wohl hauptsächlich gestorben: die Friedhöfe sind gespickt mit solcherlei Aufschriften: „Hier ruht der Körper von Ludmila Iwanowna Saizewa. Geboren am 20.04.1947, gestorben am 29.03.1950“. Hier gab es ein Geburtshaus und einen Kindergarten. Die Zeitung „Für die Industrialisierung der Arktis“ beschreibt den Kindergarten so:

„Der Kindergarten der Zentralen Basis wird von 22 Polararbeiter-Kindern besucht. Räumlichkeit – ein kleines Eckchen von etwa 20 qm Größe, d.h. jedes Kindheit einen Platz von nicht einmal 1 qm zur Verfügung. Hier verbringen die Kinder fast den ganzen Tag. Das einzige kleine Zimmer des Kindergartens dient als Spiel- und Essecke, aber auch als Schlafraum in den Ruhestunden, hier gibt es eine Kleiderhaken-Garderobe und ein kleines Eckchen, in dem das Essen ausgeteilt wird. Ein Teil des Zimmers ist mit Klappbetten ausgefüllt. Außerdem befindet sich in diesem Raum ein kaum isolierter Nebenraum – die Kinder-Toilette. Kann es wirklich sein, dass sich in einer solchen Räumlichkeit eine Kinder-Einrichtung befindet? Natürlich nicht. Unter derartigen Bedingungen ist es unmöglich die Erziehungsarbeit richtig zu organisieren und die Kinder in altersgerechte Gruppen einzuteilen“.

(Was für eine Erziehungsarbeit sollte das wohl schon gewesen sein: ich überlegte und kam zu dem Schluss, dass in diesem Kindergarten die Kinderchen allenfalls, wie im Autobus zur Hauptverkehrszeit, stehen und „Danke, Genosse Stalin, für unsere glückliche Kindheit“ einstudieren konnten).

Nun, insgesamt gesehen steckt die Zeitung „Für die Industrialisierung der Arktis“ voller Optimismus:

„Anhand von positiven Beispielen der Arbeit einzelner Brigaden mobilisiert die Wandzeitung „Kampfblatt“ alle Polarbewohner zum Kampf um die hervorragende Durchführung der dritten Kriegsschiffsnavigation“.

Der Aufschwung, der durch den Gesamtrussischen Wettbewerb der Textilarbeiter entstanden ist, gab dem Kollektiv die Möglichkeit neue Erfolge zu erringen“.

„Höchste Wachsamkeit. Die Bestarbeiter der Unternehmen – Stachanow- und Akkordarbeiter – verladen mit außergewöhnlichem Enthusiasmus und größter Wirtschaftlichkeit unsere Fracht und versenden sie an die dafür vorgesehenen Lagerorte“.

Und noch ein bemerkenswertes Beispiel des sozialistischen Realismus (erinnern sie sich daran, dass die Rede von Menschen ist, die GEWALTSAM verschleppt wurden und UNTER ZWANG arbeiteten):

„Trotzdem werden wir das Banner erobern“ – meinte Brigadeführer Fedotow aufgeregt. <…> Es gibt keine Worte, um jenen Enthusiasmus zum Ausdruck zu bringen, mit dem sich Fedotows Brigade an die Arbeit machte. Es schien geradewegs so, als ob die Leute in Mechanismen übergingen. <…> Als sie ans Ufer hinaus traten, erzählten die Fedotow-Brigadiere ihren Genossen stolz davon, wie sie arbeiteten und fügten noch hinzu: „Jetzt wird das Wander-Banner ganz sicher an uns gehen!“

Nach so einer heroischen Arbeit ging nun also der Brigadeleiter Fedorow nach Hause – einem Bau in der Art des „Objekts Nr. 15“. Vielleicht war er ja auch tatsächlich voller Enthusiasmus. Wer weiß das schon …

Wir. Juschnij Tigjan. 30.07.90

Nach Juschnij Tigjan gerieten: Kupzow und Wychristjuk, ebenso wie Grischa Matwienko (dessen Spitzname auf der Expedition Gri Ubiwjez war). Dort sahen sie sogleich das, was aus der Luft schwierig zu erkennen war: es gab keine Überreste von irgendwelchen Lagern. Eine gewöhnliche Arbeitersiedlung. Übrigens, entdeckte man in der Siedlung eine Arbeitsgruppe des Norilsker „Memorial“. Leider gibt es auch in unserer Sache Ungereimtheiten.

Wir und sie. Kap Nordwik. 30.07.90

Die größte Gruppe wurde in Nordwik abgesetzt: der Chef selbst, die beiden Marinas - Paramej und Glebowa – sowie der Journalist Oleg Tichomirow, der sich vor der Allgemeinheit unter dem Pseudonym „Iwan Tanga“ verborgen hielt.


Nord-Menschen: Wychistjuk, Iwan Tanga, Gri Ubiwjez

Die Nordwiker Gruppe erwartete eine heftige Enttäuschung. Die Lager waren seit langem vom Antlitz der Erde fortgewischt. Mitte der 1940er Jahr organisierten die Amerikaner hier eine Konzession, und bei ihrer Ankunft wurde alles restlos gesäubert. (MEMORIAL stößt nicht zum ersten Mal darauf. Den achten Lagerpunkt des Kraslag suchten wir zwei Tage lang, obwohl wir eine äußerst detaillierte Karte besaßen. Wir entdeckten ihn dann ganz zufällig: überall nichts als Taiga, sowie sie sein soll – und dann stehen da plötzlich Kiefernreihen. Die Lager wurden zunächst in Brand gesteckt, dann mit Bulldozern dem Erdboden gleich gemacht, und dann wurden an der Stelle Bäume gepflanzt.)

Die Gruppe durchkämmte alle Häuser, den Hafen, unternahm einen Ausflug in die nächst gelegenen Siedlungen (Solerudnik, Staryj Nordwik). Keinerlei Spuren vom Lagerleben. Nur einmal wurden vergitterte Gebäude entdeckt, aber das war vermutlich doch nur ein Lagerraum.

Wir und sie. Kap Ilja. 31.07.90

Seit dem Morgen (genauer gesagt – seit dem sogenannten Morgen: denn die Sonne geht überhaupt nicht unter) stürmt es. Der Wind ist so stark, dass das Wasser, was wir aus dem Kochkessel gossen, fünf Meter weit auf den Boden spritzte. Der Regen fällt, wie es scheint, nicht horizontal, sondern ganz und gar von unten. Jedenfalls war ich, während ich nach Brennholz suchte, in Windeseile komplett durchnässt.

Sascha und Ira zog es trotzdem zu den Fischen. Es zog sie beinahe im buchstäblichen Sinne dorthin. Ich sitze nach der Art und Weise eines alten Mannes zu Hause, schreibe diese Aufzeichnungen nieder, beheize den Ofen und schaue aus dem Fenster. Über der grauen Oberfläche der Laptew-See flattert irgendjemand stolz herum. „Du lieber Gott! Da möchte ich jetzt nicht hinaus!“ – denke ich und werfe noch ein paar Holzscheite ins Feuer.

Wir und sie. Kap Ilja. 01.08.90

Am Morgen entdeckten uns Soldaten, die hier her gekommen waren, um zu jagen und an einer bestimmten Stelle zu fischen, die ich für alle Fälle verschweigen werde.

Der Soldat Kostja, dessen Familiennamen ich für alle Fälle ebenfalls verschweige, brachte mit einem einzigen Schuss gleich fünf Enten zur Strecke, und wir begriffen sofort, dass sich die nördlichen Grenzen unserer Heimat in zuverlässigen Händen befanden. Vom Fischfang brachten die Jungs einen Eimer voller Zwergmaränen und ein paar Schnäpel mit. Wir verspeisten diese ganze Pracht und unterhielten uns friedlich. Wir sprachen auch über das Wetter. Wie oft, fragte ich, habt ihr denn hier so einen Sturm? Ach was, meinte einer der „Großväter“, soll das hier gestern Abend etwa Sturm gewesen sein? Ja, so etwas in der Art, verhaspelte ich mich. Na, genauer gesagt, erinnerte sich der „Opa“ – hatten wir hier gestern ein Windchen. Wieso - gibt es denn noch stärkere? – wollte ich wissen. Na ja, meinte der „Opa“ – hier am Polarkreis schon …

Er verstummte und suchte nach den nötigen Worten; er fand sie und sprach sie aus, aber ich habe nicht die Absicht, sie auf diesen Seiten wieder zu geben.


Wir, die Soldaten und die Enten.

Wir sprachen über die Müllhalde. Wie ich bereits sagte, verblasste der Uferstreifen von Chatanga, als wir am Kap Ilja all das Stehende, Liegende, Aufgehäufte erblickten: Dieselmotoren der Firmen Caterpillar und Gardner-Denver, Bohrausrüstungen von EMCO, CARVOOD, REGAN, IDEAL, kleine Lokomotiven der Marke PLYMOUTH. Über vaterländische Lokomotiven (offenbar hatte man angefangen, eine Schmalspurbahn zu bauen, es sich dann aber anders überlegt) Dampfmaschinen des Typs „Borez“, und andere Dinge aus Eisen, deren Bezeichnungen wir nicht verstanden – also über die will ich gar nicht erst reden. Aber das ganze amerikanische Zeug hatten sie zu der damaligen Zeit gegen Valuta gekauft, als das Land in Trümmern lag, und mit heroischen Seeleuten über den Nordmeer-Seeweg hierher geschafft – und so liegt das hier sei 40 Jahren immer noch herum…

Wir und sie. Kap Ilja. 02.08.90

Die Soldaten ließen uns ihre Netze zurück, und Saschchen machte sich sogleich mit Enthusiasmus ans Fische fangen. Einige Tage später fingen wir bereits an zu stöhnen: „Schon wieder diese Maränen! So viele, wie das Herz begehrte! Wenn man sie nicht mit eigenen Augen gesehen hätte! Und schon waren sie gebraten oder gekocht oder eingesalzen!“ Aber die Fischschwänze lugten aus allen Eimern, Kochtöpfen und Dosen hervor, und ich und Ira nahmen sie in völliger Hoffnungslosigkeit aus, wobei wir immer wieder deklamierten: „Ich bin nur ein einfacher Sowjet und liebe vom Meer einen einfachen Hecht!“ (und genau so war es: nachdem ich aus dem großen Sack irgendwie eine Konservendose mit Alaska-Seelachs in Öl ausgegraben hatte, stürzte ich mich mit einer nie da gewesenen Begeisterung darauf).

… Demzufolge, überlegten wir, war es hier mit dem Essen nicht so schlecht bestellt. Fische, Pilze, Enten, Rebhühner, dieses und jenes, und in den 1940er Jahren hatten die Amerikaner so manches im Rahmen des Land-Lease-Abkommens hierher gebracht. Allerdings musste man auch berücksichtigen, dass wir uns in diesem einzigen Monat des Jahres hier aufhielten, in dem in der Arktis Sommer herrscht (die restlichen elf sind – Wintermonate), dass der Sommer in diesem Jahr außergewöhnlich warm war und es zudem vergleichsweise wenig Mücken gab. Des Weiteren war zu berücksichtigen, dass sie hier damals nicht so gearbeitet haben wie wir: wenn es regnet, sitzen wir zu Hause, regnet es nicht – dann gehen wir in die Siedlung (und das bedeutet, dass sie viel weniger Zeit für die Beschaffung hatten). Außerdem musste man schließlich auch noch in Betracht ziehen, dass sie fast alle nicht aus freiem Willen hier her gekommen waren und, natürlich, ohne Netze, Gewehre usw. Und später hat dann jene Zeitung „Für die Industrialisierung der Arktis“ unsere Schlussfolgerungen bestätigt:

„Das Unternehmen hat wegen des Fehlens von großen Schleppnetzen, Jagdausrüstungen, Angelschnüre, Bindfäden und Nähgarn usw. große Schwierigkeiten. Die Verwaltung für die Versorgung der Arbeiter mit Lebensmitteln und Gebrauchsgütern der Hauptverwaltung des Nordmeer-Seewegs hat versprochen, all diese Materialien noch während der schiffbaren Monate des Jahres 1942 hierher zu bringen. Seitdem ist die Lieferung ein bloßes Versprechen geblieben.

Für die Reparatur der alten Fang- und Schleppnetze werden ausgediente Feuerwehrschläuche auseinander gedreht, deren Nähfäden man dann zum Flicken der Netze verwendet.

Auch mit dem Abschießen von Wild sieht es angesichts des Fehlens von Munition nicht gut aus. Was die lokale Beschaffung betrifft, so hat das Unternehmen in diesem Jahr bereits 2392 Fleisch und 1400 Rebhühner bereitgestellt.

Auf Grundlage des breit entfalteten sozialistischen Wettbewerbs ergreift das Kollektiv des Unternehmens alle erdenklichen Maßnahmen, damit …

Ich weiß nicht, ob der weit entfaltete sozialistische Wettbewerb beim Fehlen von Netzen und Patronen hilfreich war, aber 1400 Rebhühner für 5000 Menschen – und dann noch für den ganzen Winter…. Was mich betrifft, so kann ich mühelos zwei Rebhühner auf einen Schlag essen: von der Größe her handelt es sich um ein Mittelding zwischen Taube und Küken. Was soll man denn da berichten …

Wir und sie. Siedlung Ugolnyj. 03.08.90

Am Kap Ilja liegen die Kohleschächte direkt in der Siedlung verstreut. Es sind nicht weniger als fünfzehn, und eine der Gruben befinde sich direkt neben unserem Haus. Alle Schächte sind überflutet, und unsere Hoffnungen, dort Dokumente oder sonst noch irgendetwas zu finden, scheinen vergeblich zu sein. Es stellt sich heraus, dass wir hierher umsonst Reepschnüre, Helme, Taschenlampen und andere Dinge geschleppt haben.

Außer unserer Siedlung gibt es vier Kilometer entfernt noch eine weitere: Ugolnyj. Ira und ich begeben uns dorthin: Saschchen ist vollständig zur nächtlichen Lebensweise übergegangen. Insgesamt gesehen gibt es gar keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht (allerdings fällt es in der Nacht aus irgendeinem Grund nie Regen, und deswegen ist es heller); deswegen schläft er tagsüber, während er nachts fotografiert und angelt. Auch wir haben bereits die Orientierung in puncto Zeit verloren und sind nicht ganz davon überzeugt, dass wir um 6 Uhr abends nach Ugolnyj gehen. Vielleicht ist es ja in Wirklichkeit 6 Uhr morgens.

Bis nach Ugolnyj geht man immer geradeaus – insgesamt vier Kilometer, aber die Tundra vergrößert die Entfernung um das Eineinhalb- bis Zweifache: wir müssen den Sumpf umgehen. Unterwegs sprechen wir über das Wesentliche unserer Arbeit. „Memorial“ wird von rechts und links attackiert. Die Rechten sind der Meinung: was gewesen ist, ist gewesen, und es macht keinen Sinn jetzt noch darin herumzuwühlen. Die Linken sagen, was jetzt wichtiger ist: Partei, Räte, Politik, aber mit den Repressionen ist doch alles schon lange klar.
Diese wie jene sehen „Memorial“ nur auf einer Ebene – der politischen, aber „Memorial“ ist vielseitig (wenn gleich in dieser Organisation auch Politiker, wie beispielsweise J. Afanasjew, mitwirken). Man möchte die Radikalen ja nicht gern beleidigen, aber man soll schon sagen, dass ihre Vorgehensweise typisch bolschewistisch ist.

Wladimir Ilitsch sagte über Tschechows Bücher, dass sie NÜTZLICH wären, während er in L. Tolstoi lediglich den Spiegel der russischen Revolution sah.

„Memorial“ ist im Wesentlichen eine sittlich-moralische Bewegung. Schließlich liegt das Wesen des Kommunismus liegt darin, dass er die Menschen gewissermaßen in anonyme, funktionale Wesen, in Schräubchen, verwandelte. Das Wesen unserer Arbeit liegt dagegen in der Wiederherstellung der menschlichen Beziehungen zu diesen Menschen – ihnen, wenn auch nicht ihr Schicksal, so doch wenigstens ihren Namen zurückzugeben.


Wladimir Sirotinin

Jede „Memorial“-Expedition bedeutet das Hinabsinken mit einem Tauchboot in äußerst kalte Tiefen. Ich messe das „Objekt Nr. 15“ nicht einfach aus, sondern probiere es auch an mir selber aus. Ich sehe mich selbst als einer, der hierher verschleppt wurde. Ich versuche abzuschätzen, wie ich wohl einen Balkenbau aus Kistenbretten errichtet hätte; ich überlege, ob mein jüngster Sohn mit seiner chronischen Rhinitis hier wohl lange überlebt und wie lange ich es selbst, als Schachtarbeiter, an diesem Ort ausgehalten hätte. Denn dass damals sie hier waren und nicht wir, ist reine Zufälligkeit. Wäre ich fünfzig Jahre früher geboren, wäre ich hierher geraten oder läge mit durchschossenem Hinterkopf in der Schlucht bei Korkino. Sie – das sind wir, und wir – das sind sie. Oleg Tichomirow hat das in der Expeditionshymne sehr treffend ausgedrückt:

„Wir suchen das Unsere gestern,
und morgen wird man uns finden“.

Als wir im Kraslag arbeiteten und dort auch die erhalten gebliebene Baracke mit verschärftem Regimeentdeckten, bat ich die Jungs, mich für eine Stunde im Karzer einzuschließen. Während ich auf der Pritsche saß, erfuhr ich über unser Land mehr, als aus allen bis zu diesem Zeitpunkt gelesenen Büchern und Artikeln. (Die Pritschen waren schmal, aus Eisen, zweistöckig. Und der Karzer selbst hatte eine Größe von zwei dreitürigen Schränken. Und was noch schauerlicher war: nehmen Sie ein Eisenbahnabteil, auf Höhe der dritten Schlafwagenbank ziehen sie eine Decke ein, stellen im Abteil der Länge nach, zehn Zentimeter von der Regalbank entfernt, eine Wand auf, bauen anstelle eines Fensters eine zwei Hand breite Öffnung ein und versehen das Ganze dann mit einer eisenbeschlagenen Tür, dessen Fensterchen vergittert ist – „die Essensklappe“). Während ich also auf der Pritsche saß, dass jener MGB-Hauptmann Recht gehabt hatte, von dem mir eine ehemaliges Repressionsopfer erzählte. Dieser Häftling (damals einfach Dima genannt), lebte vor dem Krieg in Moldawien und schaffte es nicht mehr rechtzeitig, unser Leben zu erproben. Und der MGB-Hauptmann, der ihn 1945 kennenlernte, meinte sofort: „Du bist kein Sowjet-Mensch! Dich muss man in den Ural schicken! Da wirst du schon gleich verstehen, was Sache ist“. Und dann brummte er Dima zehn Jahre Haft im Norillag auf, damit er sich an die sowjetische Lebensweise gewöhnte. „Ich danke ihm!“ – sagt der ehemalige Nicht-Sowjet: „Wäre da nicht das Norillag gewesen, dann wäre ich heute noch ein Dummkopf, wie mein Bruder, der nicht gesessen hat: er hofft immer noch auf irgendetwas!“.

… In Ugolnyj ist ein Haus von oben bis unten mit Zeitungen beklebt. Es gelingt nicht sie herunter zu reißen, man muss sie schon so lesen, wie sie dort an der Decke hängen. Wir erfahren, dass eine Sammlung warmer Kleidung für die Rote Armee durchgeführt wurde, dass weiterhin staatliche Anleihen an der Kolyma angelegt wurden, dass der Schuster Borisewitsch (in Ugolnyj) zur Abendzeit illegale Bestellungen getätigt hatte. (Man verlangte den Schuhmacher an den Pranger zu stellen. Genau wie heute gab es auch damals Menschen, die daran interessiert waren, einen ohne Schuhe zurück zu lassen, aber nicht grundsätzlich seine Prinzipien aufzugeben.). Neuigkeiten von der Front wechselten sich ab mit Beschreibungen faschistischer Gräueltaten („Hitler-Leute drangen gewaltsam in Geschäfte, Wohnungen, Lagerhäuser ein, rissen Schränke und Truhen auf und nahmen alle wertvollen Dinge mit. In der ersten Woche erschossen die Deutschen mehr als 50 friedlich Bürger. Mehrere hundert Menschen wurden von der Gestapo verhaftet und abtransportiert. Keiner der Verhafteten kehrte nach Hause zurück. Bis heute ist über ihr weiteres Schicksal nichts bekannt“.

Über das Schicksal derer, die all das in Ugolnyj gelesen haben, weiß man auch nicht mehr…


Kap Ilja. Friedhof im ewigen Eis.

Wir. Ugolnyj. 03.08.90

Von Meter von uns entfernt schnatterte nicht eine ganze Schar, sondern eine riesige Horde Enten – schätzungsweise zweihundert an der Zahl. Natürlich hatte ich kein Gewehr dabei, und so warf ich aufs Geratewohl meine Axt in das Gewühl. Die Enten stoben in heller Aufregung auseinander.

Wir verließen Ugolyj um 2 Uhr, und es wird wohl 2 Uhr in der Nacht gewesen sein: die Sonne stand ganz niedrig am Himmel. Ira machte sich auf der nächsten Pilz-Lichtung zu schaffen, und ich blieb indessen auf dem mehr oder weniger trockenen Erdhügel liegen und genoss die Natur. Obwohl – eigentlich – woran konnte man sich da ergötzen: vor mir – Tundra, hinter mir – ebenfalls Tundra, links von mir – alles Tundra, rechts von mir – auch nichts anderes als Tundra. Aber schön ist sie! In der Tundra sind sogar die Sümpfe schön. Sie sind flach wie abgebrannter, zerbröselter Rost, eingefasst mit violett gefärbtem Moos und kleinem, niedrig wachsenden, sich deutlich abhebendem Riedgras. Das Wasser steht dort hartnäckig. Die Enten haben es schwer daraus aufzufliegen, sacken immer wieder nach unten, wie eine IL-76.


Vor mir – Tundra, hinter mir - ebenfalls Tundra, links von mir – alles Tundra,
rechts von mir – auch nichts anderes als Tundra.

Die Spuren von Geländefahrzeugen verleihen der Tundra das vertraute russische Kolorit: dickflüssiger Matsch, krumme, übermütige Spurrillen.

Es nieselte ganz leicht, alles in der Umgebung glänzt und funkelt.

- Schau mal! – sagte Ira. Ich blickte mich um. Über Ugolnyj hing ein toller Regenbogen. Die Siedlung selbst, die kurz zuvor noch eine Ansammlung von Ruinen, Ziegelsteinen, Konservendosen und Holzbalken gewesen war, glänzte silbern – wie ein verzaubertes Schloss. Vielleicht war das auch nur eingebildet, aber ich dachte, dass die Natur dieses Feuerwerk zu unseren Ehren veranstaltet hatte.

Wir. Nordwik. 07.08.90


Aleksej Babij, Wladimir Sirotinin, Marina Paramej, die Bucht von Nordwik

Schließlich trafen die drei Gruppen wieder zusammen. Der Hubschrauber, der, wie immer, völlig unerwartet eintraf , nahm die Gruppe vom Kap Ilja (die Hälfte unserer Sachen war nicht vernünftig gepackt, so dass wir sie in den Armen trugen: Zelt, Töpfe, Bündel mit getrockneten Pilzen und anderes) und die Gruppe aus Tigjan (dort hatten sie sich gerade ihr Mittagessen gekocht und waren mit den heißen Töpfen in den Hubschrauber gestiegen) auf und brachte sie nach Nordwik. Ein paar Häuser sind dort erhalten geblieben; drei von ihnen belegten wir mit unseren Sachen und nannten sie „Hotel“ (auf dem mit dem Kraftaufwand Iwan Tangas die russische Flagge gehisst wurde), „Grischkins Bärenhöhle“ und „Badehaus“. (Später wurde ein Woche lange über den Bau einer Metro mit den entsprechenden Haltestellen debattiert). Die Ereignisse häuften sich, und die regelmäßige Zeitung „Expedition Nordwik“ reagierte darauf mit beneidenswerter Umsicht.

(PULS DER EPOCHE. Sensation! Angriff wildgewordener Rebhühner auf die Fazenda (Großbetrieb für Rinderzucht in Brasilien; Anm. d. Übers.) „Grischkins Bärenhöhle“. Gri Ubiwez und Andra Satanjuk wehrten sie durch Schüsse bis auf die letzte Patrone ab. Ewiges Gedenken den Helden!


Grischkins Bärenhöhle

(„WIE MARINKA, GENANNT LOKOMOTIVE, DAS FRÜHSTÜCK BEREITETE. Marinka, Lokomotive genannt, machte sich am Morgen an die Zubereitung des Frühstücks; allerdings wollte sie lieber schlafen, und so legte sie sich hin. Iwan Tanga wärmte Grütze auf, schleppte Brennholz heran, kochte Kakao. Die Tungusen standen auf, tranken Kakao; Dank an Marinka, meinten sie, Lokomotive genannt.“)


Fast die gesamte Mannschaft, außer Gri Ubiwez und Wychristjuk.
Von links nach rechts:
Aleksej Babij, Irina Dobrorodnaja, Marina Glebowa, Oleg Tichomirow,
Wladimir Sirotinin, Marins Paramej, Aleksander Heschumajes, Aleksander Kupzow.

Wie. Nordwik-Ugolnyj. 09.08.90

In der Nacht hatte ich einen Traum. Ich versank im schwarzen Schlamm, steckte bis zur Gürtellinie darin fest. Es gab nichts, worauf ich mich hätte stützen können: überall um mich herum war ebenfalls nichts als Schlamm. Früher hatte ich schon einmal etwas Schlimmeres geträumt: da saß ich in einer Blechdose mit der Aufschrift „konserviertes Leben im eigenen Saft“, und mit eben dieser Dose spielten irgendwelche Jungs Fußball. Deswegen war der Traum vom Schlamm wie eine Metapher gewesen, und ich deutete ihn im übertragenen Sinne.


Nordwik-Ugolnyj. Aleksej Babij, Oleg Tichomirow,
Aleksander Kupzow, Irina Dobrorodnaja

Aber der Traum erwies sich als etwas Prophetisches: als wir aus Nordwik-Ugolniy zurückkehrten, gerieten wir im buchstäblichen Sinne in eine Klemme. Vom „Hotel“ trennte uns die Bucht - per Luftlinie wären es fünf Kilometer gewesen, aber am Ufer entlang insgesamt zehn. Wir waren keine normalen Helden und wollten den Umweg nicht nehmen, und wie es sich für echte Russen gehört, machten wir uns mit der Losung „Aufs Geratewohl“ auf den direkten Weg, zumal gerade Ebbe herrschte und er Grund gut sichtbar war. Die Bodenstruktur sah folgendermaßen aus: eine Schicht Rasen von etwa 5 cm Höhe, darunter etwa 20 cm Wasser und Schlamm, und weiter unten und noch weiter unten – ewiger Frostboden. Zuerst stieg uns das Wasser in die Stiefel, dann ging es bis zu den Knien und schließlich bis zur Leistengegend, und man konnte es nicht loswerden: durch das ewige Eis konnte es jedenfalls nicht abfließen. Bald jedoch verwandelte sich der Rasen in reinen Schlamm, und quer zum Weg verlief ein Flüsschen. Kupez, der sich dem kalten Wasser gegenüber ziemlich kaltblütig verhielt, durchschwamm den kleinen Fluss, Iwan Tanga gelangte Dank seiner sumpfgeeigneten Stiefel und seiner Begeisterungsfähigkeit hindurch, während alle anderen gezwungen waren zurück zu gehen und am Ufer entlang zu laufen. Während ich mich also auf dem Weg vorantastete, war ich in den Schlamm geraten – ganz genau so, wie ich es geträumt hatte, und der Schlamm war genau der gleiche wie in meinem Traum. Traue also nach all dem bloß keinem Astrologen mehr.


Polar-Sumpf. Irina Dobrorodnaja, Aleksej Babij, Marina Glebowa

Wir und sie. Solerudnik. 11.08.90

(Achtung: bevor Sie die Beschreibung von Solerudnik lesen, frischen Sie Ihre Erinnerung über das “Objekt Nr. 15“ auf).

Solerudnik wurde von den Amerikanern entsprechend ihrem amerikanischen Verständnis erbaut. Im Grunde genommen gelang es uns, ohne lange nach einem Visum in der Schlange zu stehen, nach Amerika zu reisen. Die Siedlung liegt in einem Talkessel und sieht aus der Ferne wie ein kleines Stückchen von Alaska aus. Die Architektur der Häuser, die „englischen“ Fenster sind wohl einfach zu ungewöhnlich für den Norden. Deckenhöhe – etwa drei Meter. Dampfheizung. Die Häuser selbst waren aus dicken (dreißig Zentimeter) Balken gebaut, die Zimmer verputzt und sehr geräumig. Hier hatte man bei den Menschen nicht gespart. Ich vermutete sogar, dass in diesen Räumen keine Verbannten aus dem Staate Oklahoma gelebt hatten, sondern vielmehr freie Arbeiter, bei denen es sich zudem auch noch um gut bezahlte Spezialisten gehandelt hatte. Nicht nur der Komfort und die Qualität machen Eindruck. Die Häuser sehen schön aus, und sie sind auch schön gelegen. Ein Betriebsgebäude, ein Rundbau, sieht innen wie ein Tempel aus; die Erbauer hatten es fertig gebracht, in der Tundra einen trockenen Ort zu finden (Koschewnikowo steht übrigens vollständig im Sumpfgebiet).

Der Kontrast ist dermaßen frappierend, dass … Im Übrigen vermag ich dafür gar keine Worte zu finden.


Müde. Marina Glebowa, Wladimir Sirotinin, Aleksej Babij,
Marina Paramej, Aleksander Neschumajew

Sie und wir. Koschewnikowo. 05.08.90

Diesen Tag verbrachten wir bei Soldaten. IN der Truppe freute man sich riesig über uns: vierzig Tage lang hatte es keine Post gegeben und neue Leute noch viel länger nicht. Wir machten uns schnell miteinander bekannt, schlossen Freundschaft und nahmen ein Dampfbad im Badehäuschen, führten Streitgespräche mit dem stellvertretenden politischen Leiter über Politik (wobei wir bei keinem einzigen Thema Übereinstimmung erzielten, jedoch trotzdem gute Freunde blieben: eine seltene Erscheinung in unserer verbitterten Zeit!)

Im Zimmer von Leutnant Wolodja Sworykin hatte jemand den tiefsinnigen Spruch „Erkenne dich selbst, dann wirst du nicht enttäuscht“ an die Wand geschrieben, und an der Tür stand in riesiger Schrift „TÜR“. Damit man sich nicht verläuft, erklärte Wolodja. Ich dachte, was das hier für eine Ordnung war und was man hier nicht alles schrieb, um nicht den Verstand zu verlieren: dreißig Mann in diesem weiten Raum eingeschlossen, zu einem Trupp formiert, ohne dass man sie vorher auf ihre gegenseitige Verträglichkeit getestet hatte und dann noch gezwungenermaßen.

Wir lachten noch einmal, als wir die Serie über Sherlock Holmes sahen und Holmes im Restaurant Portwein und die „Times“ bestellte. Stell dir doch mal vor, wenn du bei uns in eine Bar kommst und sagst: „Ein Glas Wodka und die „Prawda““!

Aber je länger wir zusammen waren, umso schwerer wurde uns ums Herz, und schließlich begab ich mich in ein dunkles Eckchen und steckte mir eine Nitroglyzerin-Tablette in den Mund. „Und was macht ihr hier?“ fragten wir. Und wir erfuhren, dass es sich um ein ganz ziviles Objekt handelte, aber warum es von Soldaten betreut wurde – das durften wir nicht fragen. Ein Soldat erhält sieben Rubel im Monat, und sein ganzer soziokultureller Alltag besteht in einer Bettstelle in der Kaserne, einem Hocker in der Kantine und einem billigen Schwarz-Weiß-Fernseher in der Roten Ecke. Aber einem Polararbeiter müsste man mindestens siebenhundert zahlen und ein solides Haus für ihn bauen (ihr lebt nicht im Jahr 1936!), einen Kindergarten, … Was soll man da sagen? Ob sich unser blühender Staat das wirklich leisten kann? Der muss ja erst noch 50 Museen für Lenin bauen und marmorne Häuser zur politischen Verdunklung; von den Datschen für die erforderlichen Leute will ich schon gar nicht erst reden. Und selbst wenn der Staat sich großzügig zeigen und all das bauen würde – den Polar-Arbeiter muss man hierher locken, aber Soldaten formieren sie zweimal im Jahr so viele sie brauchen. Und selbst wenn Sie mich umbringen – ich habe nur einen einzigen Unterschied zwischen einem Soldaten und einem Sonderumsiedler gefunden: der Soldat erhält staatliche Verpflegung. Aber das unterscheidet den Umsiedler auch vom Gefangenen. Alles andere – die nicht vorhandene Bewegungsfreiheit, die regelmäßigen Kontrollen, die Zwangsarbeit – stimmen erstaunlicherweise überein. Muss man sich da über das Schikanieren von Rekruten in der Armee durch ältere Dienstjahrgänge wundern, wenn dies absolut exakt den Lageralltag und die Lagerordnung reproduziert? Im Lager gibt es „Pazany“ (Gangsterboss; Anm. d. Übers.), „Pridurki“ (privilegierte Gefangene auf Verwaltungsposten; Anm. d. Übers.), „Suki“ (Kriminelle, die mit der Lagerleitung zusammenarbeiten; Anm. d. Übers.) und „Muschiki“ (kleine Gelegenheitsverbrecher; Anm. d. Übers.), in der Armee sind es die „Opas“, „Fasanen“ und „Elefanten“. Um im Lager ein Pazan zu werden, muss man sich verdient machen, in der Armee – seinen Dienst ableisten. (Schmutzig, krumm gebuckelt, mager und mit einem Veilchen unter dem Auge sagte mir ein „Elefant“ verträumt: „In 52 Tagen bin ich bereits „Fasan“…“).

Mit einem Wort – das System hat sich nicht geändert. Durch Geldeinsparen verbraucht das System Menschen. Verplemperst du Geld – ist es alle, aber was sind schon Menschen? Wenn du sie aufbrauchst, pflanzen sie sich selber fort. Man hat sie hungern lassen, sie erschossen, in Lagern verfaulen lassen, sie unbewaffnet unter rollende Panzer gejagt und mit Wodka in den Tod getrieben. Und schau mal – wieder dreihundert Millionen anstatt hundertfünfzig. Mit uns darf man also keine Umstände machen: man schickt einfach so viele wie nötig dorthin, wo sie gebraucht werden.

Wir saßen mit der Truppe zusammen und schauten uns das Programm „Zeit“ an. Es war Samstag, und Nikolaj Iwanowitsch Raschkow erzählte eindringlich von den objektiven Bedingungen (die seine Regierung subjektiv auch geschaffen hatte; sie sagten ihnen: gebt den Bauern Land, und nicht irgendwann, sondern diesen Winter – sie gaben es ihnen nicht; sie sagten ihnen: man darf die Handels- und Einkaufskooperativen nicht auseinanderjagen; sie sagten ihnen: sägt nicht an dem Ast, auf dem wir alle sitzen – sie sägten ihn ab), wegen dieser objektiven Bedingungen also kann keiner eine nie dagewesene Ernte einfahren, niemand kann sie abfahren und einlagern. Wir, sagte Nikolaj Iwanowitsch, waren gezwungen, die Unternehmen dazu zu verpflichten, Leute zur Ernte zu schicken, und besonders große Hilfe erwarten wir von der Armee.

Das System ändert sich nicht.

Teilweise veröffentlicht: Meine Stimme, 1990.

Aleksej Babij


Nach Hause! Irina Dobrorodnaja, Aleksej Babij


August. Aber im Norden. Aleksej Babij, Wladimir Sirotinin


In der AN-26. Wir fliegen nach Krasnojarsk


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