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Die Deportation von Staatsbürgern deutscher Natinonalität auf das Territorium des Jenisejsker Bezirks (1941-1945)

Ministerium für Bildung und Wissenschaft der Russischen Föderation
Bildungsagentur der krasnojarsker Regionalverwaltung
Staatliche Bildungseinrichtung für den
mittleren beruflichen Bildungsweg
Jenisejsker College für Pädagogik

Abschließende Qualifikationsarbeit von
Pawel Nikolajewitsch Kolesow

Fachgebiet 040501
„Geschichte“
Kurs III, Gruppe 304
Studienart: Direktstudium

Leitung:
Irina Nikolajewna Moisejewa

Jenisejsk, 2008

Inhaltsangabe

Einleitung
Kapitel I. Die Deportation der Wolgadeutschen auf das Territorium der Region Krasnojarsk
1.1. Die Region Krasnojarsk – Ort der Deportation von Staatsbürgern deutscher Nationalität
1.2. Rechtslage der Deportierten
1.3. Schlußfolgerungen zum Kapitel
Kapitel II. Die Ankunft der deportierten Staatsbürger auf dem Territorium des Jenisejsker Bezirks (1941-1945)
2.1. Arbeitseinsatz der deportierten Staatsbürger
2.2. Sicherstellung der Versorgung der Deportierten mit lebenswichtigen Ressourcen
2.3. Wechselbeziehungen zwischen deportierten Staatsbürgern und der ortsansässigen Bevölkerung
2.4. Schlußfolgerungen zum Kapitel
Schlußbemerkung
Liste mit Literaturangaben

Einleitung

Die Sowjet-Periode der russischen Historie beeinhaltet eine Vielzahl widersprüchlicher und sehr wenig erforschter Sujets. Dazu zählt auch die Geschichte der nationalen Frage in der UdSSR, zu der auch die Deportationen und alle damit verbundenen Prozesse gehören. Die Politisierung der Geschichte, ideologische Konjunktur und Kontrolle seitens der Machtstrukturen, das Diktat eines Einparteien-Systems und der eingeschränkte Zugang zu Archivdokumenten haben es nicht zugelassen, daß die sowjetischen Gelehrten Fragen und Probleme der neuzeitlichen Geschichte der UdSSR in objektiver Weise untersuchen konnten, was zu wissenschaftlichen und praktischen Verlusten führte. Eine Folge dieser zahlreichen lexikalischen Lücken in der Geschichte der sowjetischen Innenpolitik und dem mit ihr verknüpften Teil der ethnischen Geschichte war das niedrige Kompetenz-Niveau des Staates bei der Entscheidung nationaler Probleme. Eine derartige Mißachtung der Ethnopolitik stellte einen der Gründe für die Verschärfung der internationalen Beziehungen der UdSSR in den 1980er Jahren und des anschließenden Zerfalls des Staates dar. Der internationale Charakter der sowjetischen Politik und Geschichte, auf denen die Annäherung der Klassen basierte, ignorierte praktisch die ethnischen Fragen, was schließlich zu einer Zuspitzung der Widersprüche innerhalb der Struktur des gegenwärtigen russischen Föderalismus führte.

Im Rußland der 1990er Jahre nahm, infolge der Abschaffung politischer Einschränkungen bei der Geschichtsforschung und der Öffnung der Archive, sowie der steigenden Spannungen in den internationalen Beziehungen, das Interesse an der Historie nationaler Fragen der UdSSR zu, unter anderem auch an der Geschichte der „kleinen“ Völker. Der Wegfall ideologischer „Tabus“ auf dem Gebiet der Geschichstforschung und der Zugang zu Archivdokumenten förderten in hinreichendem Maße eine objektive Beleuchtung früher „verschlossener“ Themenbereiche in der ethnischen Geschichte.

Die umgesiedelten Nationalitäten, die vor ihrer Deportation größtenteils in kompakten Siedlungen lebten, wurden nun verstreut in den riesigen Weiten Sibiriens, Kasachstans und Mittel-Asiens. Dieser weitgestreute Aufenthalt unter den Bedingungen der Zwangsansiedlung beeinflußte die Anzahl, das nationale Selbstbewußtsein, linguistische sowie kulturelle Komplexe im Alltagsleben der umgesiedelten Völker.

Zu den zwangsausgesiedelten und in Orte der Sonderansiedlung verschleppten sozialen und nationalen Gruppen gehörten auch „Klassenfeinde“, Vertreter des Staates, die gegen die UdSSR kämpften oder gekämpft hatten, sowie andere Nationen und Völkerschaften. Zu den deportierten Völkern gehörten auch die Rußland-Deutschen – die zahlenmäßig größte ethnische Gruppe (laut der Volkszählung von 1939 waren es 1 427 232 Personen); sie hatten infolge der nationalen Unterdrückungspolitik des Sowjetstaates ihre Autuonomie verloren [22, S. 156].

Die Wahl des Themas für die Qualifikations- und Abschlußarbeit war für mich nicht zufällig. Der Einstieg in diesen Forschungsgegenstand begann für mich mit dem regulären Schulunterricht, in dem die Geschichte der großen Heimat eng mit der regionalen Historie verknüpft ist, gefolgt von schulischen Geschichtsexpeditionen sowie gemeinsamen von unserem College und der krasnojarsker „Memorial“-Gesellschaft organisierten Geschichts- und Menschenrechtsexpeditionen. Die Repressivpolitik des sowjetischen Staates in den 1930er und 1940er Jahren, und insbesondere die Zwangsverschleppungen habe ich an lebenden Beispielen erforscht, und zwar in so vielen Details, daß sich mir in etlichen Fällen das Herz zusammenzog. In 6 Jahren hat sich eine große Menge Tatsachenmaterial angesammelt. Es sieht so aus, als wenn für mich persönlich die Zeit gekommen wäre, diese Materialien zusammenzufassen, zu systematisieren, sie durch das Prisma der geschichtlichen Schulausbildung hindurch zu begreifen, in dem man sie nicht allein auf die Historie der Alltäglichkeiten stützt, sondern auch auf fundamentale Forschungsergebnisse, Gesetzesakte und Archivquellen.

Wenn man von der Aktualität der Forschung spricht, muß man anmerken, daß das Land, in dem wir leben – die Rus - die Kiewer Rus – der Russische Zentralisierte Staat – das Russische Imperium – die RSFSR – die UdSSR – die Russische Föderation – von Anfang an ein Vielvölkerstaat war. Und unsere Region beherbergt Menschen, in deren Adern das Blut aller Nationalitäten und Völkerschaften fließt. Was nicht ohne Grund, wenn auch nur metaphorisch, den Anlaß gibt, von der Nationalität der SIBIRJAKEN zu sprechen. Und es scheint so, als ob die Sibirjaken – und gerade sie - sich gegenüber nichtrussischen Völkern tolerant verhalten. Allerdings, als sich die Studenten unserer Abteilung auf das Forum „Staatsbürgerlichkeit durch Bildung“ vorbereiteten, wurde eine soziologische Befragung durchgeführt, in deren Verlauf sich herausstellte, daß für 25% der befragten Bewohner der Stadt Jenisejsk eine andere Nationalität ein Hindernis im gegenseitigen Umgang darstellen würde. Und wenn auch in unserer Stadt hoffentlich keinerlei Konflikte aus nationalen Beweggründen aufkommen mögen, so macht es die Zahl doch zwingend erforderlich, die Ohren zu spitzen und über die Sache nachzudenken.

Daher sollte die nationale Politik auf staatlichem und regionalem Niveau, ihre Prioritäten, Strategien und Taktiken, ihre Perspektiven auch im Zusammenhang und unter Berücksichtigung der historischen Erfahrung erarbeiten.

Die Arbeiten zu Fragen der Deportation, denen ich mich während des Arbeitsprozesses an dieser Forschungsarbeit zuwandte, lassen sich bedingt in zwei Gruppen einteilen – ausländische und vaterländische.

Übrigens muß man unter den ausländischen Forschern, die sich als erste der Erforschung dieses Themas gewidmet haben, D. Brandes erwähnen („Verteidigung und Widerstand der Rußland-Deutschen“ (1917-1930), W. Brühl („Deportierte Völker in Sibirien“ (1935-1965), „Migrationsprozesse unter den Deutschen Sibiriens in den 1940er bis 1955er Jahren“. In diesen Arbeiten werden die Gründe, die Etappen und der Verlauf der Deportationen der deutschen Bevölkerung in Augenschein genommen. Hinreichend interessant für mich war die Bekanntschaft mit der Monographie L.I. Oberdörfers „Die deportierten Deutschen in West-Sibirien“ (1941-1944), in der der westliche Historiker sich mit dem rechtlichen Status und der tatsächlichen Lage der deportierten Deutschen in West-Sibirien befaßt.

Beim Schreiben der hier vorliegenden Qualifikations- und Abschlußarbeit wurden die Monographien der vaterländischer Historiker N.F. Bugaj und P.M. Poljan hinzugezogen, in denen die beiden Autoren in aller Gründlichkeit die Gründe und Bedingungen für die Durchführung der Umsiedlungsaktionen untersuchen, die Aussiedlungsregionen der Deportierten näher definieren, die Aktivitäten der zentralen und lokalen Behörden bei der Aufnahme und Unterbringung der Umsiedler betrachten usw.

Da das Problem der deutschen Sondersiedler im Jenisejsker Bezirk erforscht werden sollte, stützten wir uns auf die Arbeiten regionaler Geschichtsforscher, wie beispielsweise J.L. Sberowskajas „Sondersiedler in der Region Krasnojarsk in den 1940er bis 1950er Jahren“, A.A. Schadts „Sonderansiedlung der Rußland-Deutschen in Sibirien (1941-1955)“, W.J. Wekkers „Ankunft der deportierten Deutschen im Süden der Region Krasnojarsk“, K.A. Gorbatschews „Archiv-Dokumente über deutsche Sondersiedler in der Region Krasnojarsk (1941-1958)“. Die Bekanntschaft mit den Publikationen von W. Birger, der die Verbanntenströme der 1930er bis 1950er Jahre beschrieb, führte im folgenden zu der Idee, eine Beschreibung der Strömungen und kompakten Lebensräume der deportierten Deutschen im Jenisejsker Bezirk anzufertigen.

In umfangreichem Maßstab wurden in dieser Arbeit Materialien aud sem Jenisejsker Staatsarchiv verwendet: Eine Liste der umgesiedelten Familien. R-2, Verz. 2, Akte 44; das Wirtschaftsbuch der Hauptprodukitionsergebnisse der Kolchoswirtschaft beim Prutowsker Dorfrat (1941-1945), in denen der zahlenmäßige Bestand der Deportierten und ihre weitere Verwendung ausgewiesen werden; des weiteren werden darin die Wege der Unterbringung bon Bürgern deutscher Nationalität auf dem Territorium des Jenisejsker Bezirks verfolgt.

Als illustratives Tatsachenmaterial wurden in großem Umfang auch die Materialien der gemeinsamen Expeditionen für Geschichte und Menschenrechte des Jenisejsker College für Pädagogok und der „Memorial“-Organisation verwendet. Internet-Quelle: memorial.krsk.ru.

Bei der Erstellung der hier vorliegenden Abschlußarbeit haben wir uns von folgender Forschungslogik leiten lassen:

Objet: Die Deportation der Völker der UdSSR

Gegenstand: Die Deportation von Staatsbürgern deutscher Nationalität während des Großen Vaterländischen Krieges

Forschungsthema: Die Deportation von Staatsbürgern deutscher Nationalität auf das Territorium des Jenisejsker Bezirks (1941-1945).

Problemstellung: Klärung der Besonderheiten der Deportation von Staatsbürgern deutscher Nationalität auf dem Territorium des Jenisejsker Bezirks (1941-1945).

Forschungsziel: Studium der Geschichte der Sonderansiedlung von Rußland-Deutschen im Jenisejsker Bezirk unter verschiedenen Aspekten.

Forschungsaufgaben:

1. Geschichtsquellen zu diesem Thema studieren und analysieren
2. Die Geographie der Unterbringung der Sondersiedler auf dem Territorium des Jenisejsker Bezirks feststellen und die Besonderheiten ihrer Ansiedlung aufzeigen
3. Die Rechtslage des Sonderkontingents untersuchen
4. Die Lebensbedingungen der Deportierten und ihren Anpassungsprozeß ergründen
5. Umfang und Bereiche des Arbeitseinsatzes der deportierten Menschen innerhalb der Wirtschaft der Region definieren
6. Entsprechende Verallgemeinerungen ersellen und Schlußfolgerungen ziehen.

Chronologische Rahmen der Forschungsarbeit:
sie erfassen den Zeitraum von 1941 bis Ende 1945. Die untere Grenze wird dadurch gekennzeichnet, daß im Jahre 1941, am 28. August, der Ukas über die Deportierung der deutschen Bevölkerung aus dem Wolgagebiet herauskam, der den Beginn der Massenumsiedlungen von Staatsbürgern deutscher Nationalität aus der Autonomen Republik darstellte. Die zeitliche Obergrenze wurde aufgrund der Tatsache festgelegt, daß im Jahre 1944 alle Deutschen, die aus irgendeinem Grunde nicht schon früher ausgesiedelt worden waren, nun ihrem Abtransport unterlagen (indem sie unter Okkupation, und Blockaden gerieten, zu den Nichtregistrierten zählten u.ä.).

Territoriale Rahmen für die Forschungsarbeit:
Jenisejsker Bezirk, Region Krasnojarsk

Die vorliegende Arbeit besitzt theoretischen Charakter.

Beim Schreiben der Abschlußqualifikation wurden Methoden, wie die theoretische Analyse der Literatur, angewendet, das heißt es wurden einzelne Seiten, Merkmale, Besonderheiten und Eigenschaften des zu erforschenden Themas hervorgehoben und untersucht.

Beim Analysieren einzelner Fakten, ihrer Eingruppierung und Systematisierung wurden darin Gemeinsamkeiten wie Besonderheiten enthüllt und ein allgemeingültiges Prinzip aufgestellt.

Die vorliegende Forschungsmethode machte es möglich, die Positionen der verschiedenen Autoren zu den Problemen, die im Zusammenhang mit der Deportation von Staatsbürgern deutscher Nationalität und den Orten ihrer Neuansiedlung stehen, zu definieren.

Neben der theoretischen Analyse wurde das Interpretationverfahren angewendet, welches die Auslegung, Entschlüsselung, Klärung und Verallgemeinerung der Begriffe, Erscheinungen und Fakten begünstigt.

Auf diese Weise wurden im Verlauf der Arbeit folgende Methodengruppen verwendet:

- empirische: das Studium von Literatur und Dokumenten;
- Methoden der Verarbeitung von Informationen: Analyse von Fakten, Anstellen von Vergleichen, Verallgemeinerungen und Schlußfolgerungen.

Kapitel I. Die Deportation der Wolga-Deutschen auf das Territorium der Region Krasnojarsk

1.1. Die Region Krasnojarsk – Ort der Deportation von Bürgern deutscher Nationalität.

Dokumenten zufolge war es in der Region Krasnojarsk geplant, 75000 Personen in 40 Bezirken aufzunehmen und anzusiedeln; gegen Ende 1941 wurden in insgesamt 42 Bezirken 77359 Menschen untergebracht (17307 Familien) [25, S. 61].

Die totale Deportation der Wolga-Deutschen aus der ASSR der Wolgadeutschen aufgrund des Ukas vom 28. August 1941 ging hauptsächlich in der ersten Hälfte des Septembers 1941 vonstatten. Wladimir Birger definiert die wichtigsten Verbanntenströme in die Region Krasnojarsk und die Republik Chakassien so: Nach dem Stand vom 1. Juli 1949 waren bei den MWD-Organen 1.093.490 deutsche Sondersiedler registriert, was 42% aller in den Sonderkommandanturen des Landes gemeldeten Personen ausmachte [4, S. 1011].

Ein Teil der Verbannten-Züge, die in unserer Region abgeladen wurden, wurden anfangs nach Kasachstan geleitet, aber dort wurden sie nicht angenommen, mußten umkehren und fuhren zurück nach Sibirien.

Derartige Fakten haben tatsächlich stattgefunden. So berichtet F.F. Adolf, der damals 13 Jahre alt war, über das Leben in Sonderansiedlung in der Ortschaft Nasimowo: „Anfangs brachte man uns nach Kasachstan, aber dort wollten sie uns aus irgendeinem Grunde nicht aufnehmen; daher schickten sie uns zuerst nach Krasnojarsk, anschließend nach Abakan und erst ein Jahr später nach Nasimowo“ [15, S. 6].

In unsere Region gerieten deportierte Wolga-Deutsche, die sowohl vom linken Flußufer (der „Steppenseite“), als auch vom rechten Flußufer („Bergseite“) der ASSR der Wolgadeutschen stammten.

Aus dem Verwaltungszentrum der ASSR der Wolgadeutschen, der Stadt Engels, wurden die Deportierten sowohl in die Bezirke nördlich und südlich von Atschinsk, als auch in die Vorgebirgsdistrikte südlich von Kansk (insbesondere in den Bezirk Sajan) getrieben. Aus dem Engelser Vorort-Kanton Ternowka verschickte man die Leute in die Gegend nördlich von Atschinsk, in den Bezirk Biriljussy. Aus der zweiten, am linken Ufer liegenden Stadt – Marxstadt - wurden die Menschen ebenfalls nach Kansk verschleppt und von dort in den Bezirk Irbej [20, S. 13].

Die Deportierten aus dem nördlichen, am linken Ufer befindlichen Kanton Unterwalden kamen nach Nord-Chakassien, in die nahe am Jenisej gelegenen Bezirke südlich von Krasnojarsk, in Gegenden weiter östlich der Stadt sowie Gebiete nördlich, östlich und südlich von Kansk.

Aus den südlichen, am linken Flußufer der Wolga gelegenen Kantonen Kukkus und Seelmann verliefen die Deportationen wie folgt: aus dem Kanton Kukkus in die südlichen Vorgebirgsbezirke Karatus und Jermakowa, aus Seelmann hauptsächlich in Gegenden südlich und östlich von Krasnojarsk.

Aus dem östlichen Steppenkanton Krasnij Kut trieb man die Deportierten in den Norden von Kansk, aus dem südöstlichen Kanton Pallasowka in erster Linie in den suchobusimsker Bezirk und aus dem Nachbarkanto Gmelinka – auch weiter den Jenisej aufwärts sowie abwärts, bis hin zum Bezirk Jarzewo.

Von der Berguferseite der ASSR der Wolgadeutschen kamen Verschleppte aus den Kantonen Balzer und Kamenka in unsere Region. Aus den Ortschaften Dönhof im Kanton Balzer vertrieben sie die Menschen nach Zentral-Chakassien und in den Rybinsker Bezirk, und aus dem Nachbarort Kutter in den Daurischen Bezirk (südlich von Krasnojarsk). Aus dem Bezirk Kamenka gerieten die Deportierten sowohl in den östlichen Nischneingaschsker, als auch den südlichen Kuraginsker Bezirk und in die Vorstadt Sowjetskij (heute Beresowskij) östlich von Krasnojarsk [6, S. 114].

Während wir die vorliegende Quelle analysierten, kamen wir nicht umhin, unsere Aufmerksamkeit auf den Fakt zu lenken, daß darin etliche Male der Norden der Region Krasnojarsk durchklang, aber nicht ein einziges Mal vomr Bezirk Jenisejsk die Rede war. Obwohl ich aus eigener Erfahrung durch die Teilnahme zuerst an schulischen Programmen und später dann an den Expeditionen unseres Colleges von den zahlreichen Tatsachen bezüglich der Deportation der deutschen Bevölkerung auf das Territorium des Jenisejsker Bezirks weiß. Mit den Angaben in den Händen, die faktisch (Rehabilitationsbescheinigungen) bestätigt waren, entschlossen wir uns dennoch, uns vorrangig an die Archivquellen zu wenden.

Man sollte anmerken, daß wir bei der Erforschung besiedelter Ortschaften, die zum Jenisejsker Bezirk hinzugerechnet wurden, vom Augenblick des 10.10.1941 ausgehen, denn seine Grenzen änderten sich: so gehörte beispielsweise die Ortschaft Jarzewo 1943 zum Turuchansker Bezirk, ab 1941 wurde der Bezirk Jarzewo abgeteilt, und im Jahre 1957 wurden die Stadt Jarzewo und alle nahegelegenen Dörfer in den Jenisejsker Bezirk eingegliedert.

Im Hinblick auf die Anzahl der Menschen und die geographische Besiedlung der deportierten Deutschen im Jenisejsker Bezirk hat die Arbeit im Jenisejsker Staatsarchiv zu Ergebnissen geführt.

Wenn wir die Listen der umgesiedelten Familien nach den einzelnen Dorfsoviets analysieren, können wir die Tatsache konstatieren, daß 214 wolgadeutsche Familien mit insgesamt 970 Personen deportiert wurden, von denen 967 an ihrem neuen Wohnort eintrafen (3 starben während der Fahrt) [1].

Die Bevölkerung der Wolgarepublik wurde in folgenden Orten neu angesiedelt:

1. In die Ust-Tungussker Kolchose gerieten ausnahmslos Bewohner der Region Saratow, Bezirk Kamenka, Ortschaft Fajerskij.

2. In die Potapowsker, Prutowsker, Jerkalowsker, Jalansker, Abalakowsker Kolchosen, nach Maslennikowo (Kolchose „Zum Gedenken an Lenin“), die Dorfräte Marilowzewo, Baschenowo, Anziferowo, Gorskaja (Stalin-Kolchose), Tscherkas (Stalin-Kolchose) und Malo-Beloje (Kujbyschew-Kolchose) wurden ausschließlich Bewohner der Ortschaft Grimm im Bezirk Kamenka, Gebiet Saratow, deportiert.

3. Nach Ust-Kem verschleppte man die Einwohner zweier Ortschaften: der Stadt Saratow und dem Großdorf Kamenka, Bezirk Kamenka sowie einen einzigen Ansässigen aus Leningrad. Des weiteren wurde die Stadtbevölkerung des deutschen Wolgagebiets in die Woroschilow-Kolchose (Pogodajewsker Dorfrat) verschickt – aus Engels und Saratow.

4. Bewohner des Bezirks Kamenka (Ortschaften Grimm und Kamenka) gerieten zum Pogodajewsker Dorfrat.

5. Die Kolchose „Roter Oktober“ (Ortschaft Gorodischtsche) nahm bei sich Bewohner des Chwalynsker Rayons, sowie der Bezirke Seelmann und Kamenka auf (Stadt Chalynsk, Dorfräte Seelmann und Grimm).

Bei der Verteilung der Deportierten auf die verschieden Dörfer gab es vermutlich kein bestimmtes System, denn auf der Seite ist neben den Familiennamen lediglich die Waggonnummer vermerkt – eine für die gesamte Liste. An den Ort der Sonderansiedlung kamen die Deportierten in den meisten Fällen in Gruppen in geschlossenen Landsmannschaften, das heißt sie stammten alle aus derselben Ortschaft (Anl. 1).

Wurden Wolgadeutsche in die nördlichen Territorien des Jenisejsker Bezirks – nach  Kolmogorowo, Nasimowo, Jarzewo, Ponomarjowo, Nikulino deportiert? Angaben zu diesen Ortschaften gibt es im Archiv der Stadt Jenisejsk nicht, und dies in erster Linie deswegen, weil sie bis 1957 zum Bezirk Jarzewo gehörten.

Aber die Interviews, die von uns im Verlauf des Studiums historischer Alltäglichkeiten in den  1930er bis 1950er Jahren in diesen Ortschaften aufgezeichnet wurden, lassen einige Verallge-meinerungen zu, die in den nachfolgenden Tabellen dargestellt sind (Anl. 2 und 3).

Eine Analyse des Inhalts dieser vorliegenden Tabellen läßt folgende Schlußfolgerungen zu. In den Jahren 1942-1943 waren diejenigen Wolgadeutschen, die 1941 in die südlichen und  zentralen Bezirke der Region Krasnojarsk (Minusinsk, Karatus, Nischneingasch, Beresowka, Kuragino) wurden, einer zweiten Verschleppung in den Bezirk Jarzewo ausgesetzt (gegenwärtig gehören diese Territorien zum Nordverbund des Jenisejsker Bezirks, und zwar kamen sie nun nach Nasimowo, Jarzewo, Fomka, Kolmogorowo, Ponomarjowo, Nikulino). Aufgrund ihres zahlenmäßiger Bestandes – es handelte sich um 60 Personen – kann man durchaus von derTendenz einer zweiten Umsiedlung sprechen. Ähnliche Tatsachen (21 Personen) können auch innerhalb der nördlichen Territorien bei der Umsiedlung in vergleichsweise nicht weit voneinander entfernte Siedlungen beobachtet werden: Tamarowo, Kulisa, Fomka – Nasimowo, Jarzewo.

Die Geographie der Umsiedlung ist äußerst vielfältig: die Ortschaften Bauer, Warenburg - 3, Grimm - 2, Unterwalden; die Städte Marxstadt, Engels, Saratow. Die territoriale Gemeinsamkeit der Deportierten, wie sich dies in einer Reihe von Ortschaften des Jenisejsker Bezirks feststellen läßt, wurde nicht gewahrt. Wiederholte Zwangsmigrationen wurden nach Meinung von L.I. Swerowskaja dadurch ausgelöst, daß es Bedarf an einer sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Region gab, so daß im weiteren Verlauf eine wirtschaftliche Kolonisierung notwendig war. Die Region Krasnojarsk hatte das Landeszentrum immer schon als Gebiet reicher Rohstoffvorkommen angelockt. Anfang 1942 verabschiedet die Regierung die berühmte Verordnung über das Forcieren der Entwicklung der Fischindustrie in den sibirischen Flußbecken und rechnet auf diese Weise mit einer beschleunigten Erschließung der nördlichen Territorien. Die Arbeitsmobilisierung der Sonderkontingente, die in den Norden entsandt werden sollten, wurde sorgfältig vorbereitet und verlief nach einem streng aufgestellten Zeitplan. Von Mai bis Juli 1942 trafen 6312 Wolgadeutsche am neuen Wohnort ein [14, S. 46]. Brachte nun die Umsiedlung des Sonderkontingents in die besagten Fischfanggebiete den erwarteten wirtschaftlichen Effekt?

War eine solche Arbeitsmobilisierung gerechtfertigt? Offenbar gibt es auf diese Fragen keine einheitliche Antwort. Einerseits förderten die wiederholten Deportationen die weitere soziale und ökonomische Erschließung des Nordens. Die forcierte Entwicklung der Industrie in den Jahren 1942 bis 1944 führte zu einem Anstieg der Fischausbeute um das Zweifache. Andererseits brachte die Schaffung von Kolchosen, die aus den Reihen des Sonderkontingents zusammengestellt wurden, nicht die erwarteten Resultate. Die vom Schicksal sich selbst überlassenen Umsiedler konnten keine ökonomisch starken Wirtschaften hervorbringen und mit den örtlichen Kolchosen konkurrieren [10, S. 62].

Entsprechend der Klassifikation, die von A.A. Stadt vorgeschlagen wurde, waren bei der dritten Etappe (1942-1944) diejenigen Deutschen von der totalen Aussiedlung betroffen, die aus irgendwelchen Gründen nicht schon zuvor verschleppt worden waren (weil sie sich in besetztem Gebiet befanden, unter Blockade standen oder nicht zu denen mit guter Berufsausbildung gehörten). So wurden am 17. März 1942 aus dem Bezirk Leningrad 26000 Personen nach Sibirien verschleppt [25, S. 61-62]. Nach Angaben von W.I. Bruhl trafen aus dem Gebiet Leningrade und den nahegelegenen Bezirken 31527 Deutsche in der Region Krasnojarsk ein. Im Winter – Frühjahr 1942 kamen weitere 9181 deportierte Deutsche aus den Gebieten Leningrad, Woronesch, Kalinin in die Region Omsk [7, S. 341].

Im Juni wurden einige deutsche Gruppen, zusammen mit Rumänen, Griechen und Krim-Tataren ausgesiedelt, im Juli 1942 begaben sich dann aus dem Kauskasus gruppenweise die noch verbliebenen Deutschen (eine tausend Personen) auf den Weg nach Sibirien und Kasachstan. In der zweiten Hälfte des Jahres 1942 wurden ferner aus den grenznahen Zonen sowie im März 1944 nach dem Wegfall der Leningrader Blockade Deutsche umgesiedelet [24, S. 261].

Auch nach dem Kriege wurden Deutsche noch nach Sibirien antransportiert (mit der vierten Etappe, dem Repatriantentransport), als diejenigen Rußland-Deutschen in Sondersiedlung verbracht wurden, die erst unter deutsche Besatzung geraten und dann von den Wehrmachtstruppen nach West-Europa und die Gebiete Ost-Preußens mitgenommen worden waren.

Wir haben leider keine Archivquellen gefunden, welche diese Fakten bestätigen. Die einzigen Tatsachen (Aussagen von Rosa Wendelinowna Schnellbach und Gottlieb Gottliebowitsch Roller) stellen noch keine Argumente für eine Verallgemeinerung dar.

1.2. Die Rechtslage der deportierten Staatsbürger

Die Rechtslage eines Menschen wird in jeder beliebigen Gesellschaft durch das Grundgesetz eben dieser Gesellschaft definiert – die sogenannte Konstitution oder Verfassung. Die Bürger der Deutschen Wolgarepublik, die zu den autonomen Republiken innerhalb der UdSSR gehörte, waren gleichzeitig auch Staatsbürger der UdSSR, und das bedeutet, daß sie alle Rechte der anderen Bürger der Sowjetunion besaßen, die niemals hätten verletzt werden dürfen – auch nicht durch den Staat selbst.

Das Leben eines Menschen, sein Schicksal können innerhalb einer einzigen Stunde eine jähe Wendung nehmen. Und genauso kann sich in nur einer Stunde auch das Schicksal eines ganzen Volkes ändern. Das Leben der Wolga-Deutschen nahm innerhalb eines Tages einen ganz anderen Verlauf – am 28. August. Inwieweit nun waren die vorgefallenen Veränderungen im Zusammenhang mit den Rechten und Freiheiten der Konstitution der UdSSR des Jahres 1937 auffällig? Lassen Sie uns einige konkrete Beispiele betrachten.

Artikel 127. Den Staatsbürgern der UdSSR wird die Unantastbarkeit der Person garantiert. Niemand kann anders als auf Gerichtsbeschluß oder mit Genehmigung des Staatsanwaltes verhaftet werden.

Während der Deportation war ich 13 Jahre alt; in der Familie gab es noch zwei weitere Kinder: eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder. Zum Packen gaben sie uns nicht mehr als 24 Stunden Zeit, und sie erlaubten uns nur das Allernötigste mitzunehmen. Jeder Widerspuch war zwecklos, in den Menschen lebte die blanke Angst. Und wieso und wohin – das erklärte ihnen niemand. Ch.F. Kippel [16].

1942 waren meine Eltern politischen Repressionen ausgesetzt, meine Mutter aus dem Dorf Warenburg, mein Vater aus dem Dorf Unterwalden, Gebiet Saratow, und alles nur aus dem einzigen Grunde, weil sie Deutsche waren und weil sie vor allen Dingen, nach Meinung der Regierung, die Heimat verraten und auf die Seite der Ihren – der Deutschen, überlaufen könnten. A.F. Kiel [16].

Artikel 128. Die Unantastbarkeit der Wohnung der Staatsbürger und das Briefgeheimnis werden durch das Gesetz geschützt.

Die Familie Zitzer lebte bis September 1941 in einem geräumigern, zweigeschossigen Haus und besaß eine große Hofwirtschaft. Nach der Deportation wurde die Familie in der Ortschaft Jelowa, Bezirk Karatus, Region Krasnojarsk abgesetzt, wo ihnen eine kleine Hütte zugewiesen wurde. L.W. Zitzer [16].

Bis zur Deportation lebten wir im Gebiet Saratow, in der Otrtschaft Grimm. Der Vater arbeitete als Traktorist. Wir hatten unser eigenes Haus, einen großen Garten, in dem Birnen, Äpfel und Johannisbeeren wuchsen. Außerdem hielten wir eine Kuh, Hühner und Gänse. In Malobelaja lebten wir zusammen, schliefen auf Pritschen. G.P. Engelhardt [16].

Artikel 132. Die allgemeine Wehrpflicht ist Gesetz. Der Militärdienst in der Roten Arbeiter- und Bauern-Armee ist Ehrenpflicht der Staatsbürger der UdSSR.

Den Vater holten sie in die Trudarmee im Gebiet Kemerowo, wo er beinahe ums Leben gekommen wäre – er wurde entlassen, kam jedoch nur bis in den Bezirk Kuragino. Kaum war er ein wenig genesen, da wurde er auch schon erneut in die Arbeitsarmee mobilisiert, allerdings strichen sie ihn nach einiger Zeit ganz von der Liste. E.I. Wlassowa [16].

„Aber da geschah in der Familie ein großes Unheil: sie holten den Vater und auch den Bruder in die Trudarmee. Die Arbeitsarmeen sind schlimmer als ein Konzentrationslager. Es ist ein Alptraum“. E.F. Abich [16].

Von dieser „Ehrenpflicht“ wurden die deportierten Deutschen nicht befreit, obwohl man sie in der Feldarmee an der Front nicht aufnahm und sie bis zur Rehabilitierung (1955) auch nicht zum befristeten Armeedienst rekrutierte.

Artikel 121. Die Staatsbürger der UdSSR haben das Recht auf Bildung.
Dieses Recht wird gewährleistet durch die allgemeine Grundschulpflicht, durch die Unentgeltlichkeit der Bildung, einschließlich der Hochschulbildung, durch das System staatlicher Stipendien für die überwiegende Mehrheit der Hochschulstudenten, durch Schulunterricht in der Muttersprache.

Zur Schule ging ich nicht; meine gesamte Schulbildung besteht aus zwei Klassen an der deutschen Schule. Ch.F. Kippel [16]. Der Unterricht ist zuende, und ich sitze und denke: was soll man ihnen beibringen? Sie verstehen doch überhaupt kein Russisch. E.F. Abich [16].

Artikel 118. Die Staatsbürger der UdSSR haben das Recht auf Arbeit, das heißt das Recht auf garantierte Beschäftigung mit Entlohnung ihrer Arbeit nach Quantität und Qualität.

So befanden sich laut den Listen der umgesiedelten Familien aus den einzelnen Dorfsowjets im Wolgagebiet u.a. der Leiter der Bezirksfinanzverwaltung Gelenger (er kam ins Dorf Jerkalowo), der Lehrer der musikalischen Lehreinrichtung Preis (Preuß? Er wurde in die Jalansker Kolchose gebracht), und der Drucker Kraus geriet ins Dorf Baschenowo. Die Frage darüber, inwieweit diese Bürger ausgerechnet hier in ihrem erlernten Beruf tätig werden sollten, gehört zur Kategorie der rhetorischen Fragen – es bedarf keiner weiteren Kommentare [1].

Formal entzog niemand den deportierten Bürgern diese Rechte und Freiheiten, aber de facto unterlagen sie einer Diskriminierung, die sich durch die nichtoffizielle Festlegung ihres Rechtsstatus noch verschärfte.

Der Status der deutschen Bevölkerung in West-Sibirien besaß im Verlauf der 1940er Jahre zwei Seiten: eine formelle und eine reale. Die erste entstand aus dem Inhalt normativer Rechtsakte der Partei- und Staatsorgane. Dazu gehörten vor allen Dingen Gesetzesakte der sowjetischen Leitung: der Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR Über die Umsiedlung der in den Wolga-Rayons lebenden Deutschen“ vom 28. August 1941, der Befehl des NKWD der UdSSR N° 001676 vom 12. August 1942 über eine Liste der Verbannungsorte, die Anordnung des Militärrats der Leningrader Front N° 007141 „Über die bedingungslose Evakuierung der finnischen und deutschen Bevölkerung aus den Vorortbezirken der Regionen und der Stadt Leningrad“, die Anordnung N° 1123 des Staatlichen verteidigungkomitees – STRENG GEHEIM (1942) über die Art und Weise des Arbeitseinsatzes deutscher Umsiedler im Einberufungsalter von 17 bis 50 Jahren, die Anordnung über ein neues Verzeichnis der Verbannungsorte (1944). Das wichtigste Dokument war jedoch die Anordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR „Über die Rechtslage der Sondersiedler“, das erst im Jahre 1945 auftauchte – wenngleich es nur allzu logisch gewesen wäre, wenn es bereits vor Beginn der Deportationen vorhanden gewesen wäre. Durch diese Dokumente wurde der neue Rechtsstatus der deutschen Bevölkerung der UdSSR offiziell rechtskräftig gemacht und gefestigt. Erstes Beispiel für die Verletzung der konstitutionellen Normen in Bezug auf die Deutschen der Deutschen Wolgarepublik als Staatsbürger der Sowjetunion in dem genannten Zeitraum war der traurig berühmte Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 28. August 1941, welcher den Beginn der Deportationsprozesse festlegte. Der vorliegende Normativakt beschuldigte die Rußland-Deutschen als vorbeugende Maßnahme, wodurch sie genau dadurch den Artikel 102 der Verfassung der UdSSR aus dem Jahre 1936 verletzten, der festlegte, daß die Rechtsprechung in der UdSSR durch ein Gericht zu erfolgen hätte – und demzufolge konnte auch nur ein Gericht über die Frage der Schuldigkeit einer Person an einer widerrechtlich begangenen Tat entscheiden. Ferner dehnte sich die Anklage praktisch auf die gesamte, in der Republik lebende Bevölkerung aus. Auf diese Weise wurde ein Teil der Bürger der UdSSR aufgrund ihrer nationalen Zugehörigkeit „vorsorglich“ des Vaterlandsverrats angeklagt, wobei genau dadurch die in der Konstitution der UdSSR deklarierte Gleichheit aller Bürger, unabhängig von ihren nationalen Merkmalen, verletzt wurde.

Einen besonderen Platz unter den Rechtsverletzungen nimmt die Übertragung des Status eines Sondersiedlers (Zwangsansiedlers) auf Mitglieder deutscher Familien – nicht Deutscher! – ein. Der Deportation waren alle Familien unterworfen, in denen das Familienoberhaupt deutscher Nationalität war. Wenn wir die Tabelle, die Liste der Deportierten des Kemsker Dorfsowjets analysieren, können wir anmerken, daß Mitglieder deutscher Familien verschleppt wurden, die aufgrund ihrer Nationalität gar keine Deutschen waren: M.N. Reiter (Reuter?), N.P. Wagner, L.D. Wagner, M.G. Keller mit ihren 4 Kindern [16]. Im weiteren Verlauf führte die Rechtsverletzung zu einer Situation, bei der sogar russische Frauen einfach von ihren Arbeitsplätzen fortgeholt wurden, deren Ehemänner Deutsche waren. In erster Linie betraf dies Frauen anderer Nationalitäten sowie deren Kinder, was später dazu führte, daß ein Teil der Deutschen danach strebte, die Nationalität zu wechseln.

Folglich kam die Praxis des Rechtsstatus der umzusiedelnden Deutschen der rechtlichen Lage von Personen gleich, die Verbrechen gegen den Sowjetstaat begangen hatten. Laut der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Strafvollzugsgesetzgebung unterlagen alle Personen einer administrativen Umsiedlung, die wegen schwerer und mittelschwerer Delikte gegen den sowjetischen Staat verurteilt worden waren und ihre Strafen für die begangenen Taten bereits verbüßt hatten oder sich nach im Strafvollzug befanden. Die vorliegende Bestätigung bringt uns zu der Schlußfolgerung, daß das wichtigste gesetzgebende Organ der UdSSR – das Präsidium des Obersten Sowjets – die Rußland-Deutschen mit seinem Ukas von 1941 formell für Kriminelle hielt, und zwar mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen (Anl. 4).

Während der Fahrt zum Ort der Sonderansiedlung wurden die Wolga-Deutschen von Wachmannschaften begleitet. In den „beheiztbaren“ Waggons waren sie ungefähr einen Monat unterwegs. Sie fuhren unter eunmenschlichen Bedingungen. Während der gesamten Reise wurden sie nicht ein einziges Mal verpflegt – sie ernährten sich lediglich von dem, was sie noch rechtzeitig von Zuhause hatten mitnehmen können. Die Bewacher waren grausam (und es waren mehr, als die Deportatierten selber). „Überall waren Bewaffnete. Auf Schritt und Tritt verfolgten sie uns, waren immer an unserer Seite“. Der Zug hielt nur selten an. Nirgends gab es einen Aufenthalt in irgendeiner größeren Stadt oder wenigstens einer etwas größeren Ortschaft. Wenn sie hielten, dann blieben sie auf irgendwelchen Abstellgleisen stehen – dort, wo sich keine anderen Menschen aufhielten. In regelmäßigen Abständen wurden Waggons abgekuppelt – die Menschen wurden an verschiedenen Orten einfach „auseinandergeworfen“. I.K. Zitzer [16].

Die Befragten betonen die schwierigen Bedingungen, mit denen sie unterwegs konfrontiert waren, das Fehlen der elementarsten Hygienenormen. „Unterwegs nach Krasnojarsk durften wir an keiner einzigen Bahnstation aussteigen. Schmutz, Läuse. Die Menschen starben während der Fahrt. In Krasnojarsk ließ man die Leute aus den Waggons aussteigen. Sie aßen Gräser, erbettelten ein Stückchen Brot. 2-3 Tage hielten sie sich dort auf, fanden Unterschlupf in den Waggons; dann wurden sie auf Lastkähne verladen und nach Kriwljak gebracht“. N.I. Djakowa [16].

A. Ch. Witmann erinnert sich, daß die Deportierten nicht das Recht besaßen, sich über die Grenzen des Ansiedlungsbezirks hinaus zu entfernen und verpflichtet waren, sich bei der Sonderkommandantur zu melden und registrieren zu lassen. Sie weiß auch noch die Namen der Kommandanten – Pinigin (in Syrjanka) und Nepomnjaschij (in Jenisejsk). A.Ch. Witmann [16]. Eigenmächtiges Sichentfernen über die Grenzen des Siedlungsbezirks, welcher von der jeweiligen Sonderkommandantur betreut wurde, hinaus, galt als Fluchtversuch und zog strafrechtliche Verantwortung nach sich (Anl. 5). Allein in der Region Krasnojarsk waren 151 Sonderkommandanturen in Betrieb [8, S.15].

1942 faßt die Regierung des Landes den Beschluß über die Mobilisierung der Deutschen in Arbeitskolonnen, um sie dort bei Unternehmen und Betrieben des NKWD der UdSSR einzusetzen. Das wurde wahrscheinlich ausgelöst durch die ausschließlich schwierige Situation an der Front und im Hinterland. Es war unbedingt notwendig, eiligst den Bau und die Produktion verschiedener Unternehmen in Ganz zu bringen. Und dazu waren arbeitende Hände nötig. Man fand sie auch – und zwar unter anderem in den Reihen der verschleppten Deutschen … Mehr noch. Wie aus dem Befehl des Volkskommissars für innere Angelegenheiten der UdSSR N° 002217 für das Jahr 1942 „Über die Duchführung einer zusätzlichen Mobilisierung der Deutschen“ hervorgeht (Anl. 6), waren alle deutschen Männer im Alter zwischen 15-16 und 50-55 Jahren einschließlich dieser Einberufung unterworfen, sowie außerdem deutsche Frauen in der Altersgruppe zwischen 16 und 45 Jahren, die zur Erledigung körperlicher Arbeiten geeignet waren. Von der Mobilisierung befreit wurden lediglich deutsche Frauen, die schwanger waren oder kleine Kinder bis zu 3 Jahren besaßen. Sie wurden gewaltsam mobilisiert und mußten als Angehörige von Arbeitskolonnen und – trupps Zwangsarbeiterpflichten leisten; sie waren in kasernenartigen Unterkünften auf dem Firmen- oder Baugelände untergebracht, in eingezäunten und bewachten Lagerzonen mit strenger innerer Ordnung. Faktisch kam ihr Status der Lage von Personen nahe, denen man die Freiheit entzogen hatte.

Schlimm verhielt es sich auch mit dem Schulunterricht der deutschen Kinder. Diejenigen, deren Eltern sich in der Trudarmee befanden, hatten praktisch keine Möglichkeit eine Schule zu besuchen. Aber auch unter denen, die bei erwachsenen Angehörigen wohnten, gab es nur wenige, die in eine Schule gingen. Die Gründe dafür lagen im Widerwillen einiger Eltern, ihre Kinder, wegen ihrer Unkenntnis der russischen Sprache, an russischen Schulen lernen zu lassen, hauptsächlich jedoch – wegen der schwierigen materiellen Alltagsbedingungen, dem Fehlen von Kleidung und Schuhwerk. Die innerhalb kürzester Zeit und dementsprechend gut organisierte Deportation stellte eine unmittelbare Verletzung der verfassungsmäßig gesicherten Rechte und Freiheiten der Bürger der Wolgarepublik dar. Konkret und relativ genau wurde das erst zu Beginn des Jahres 1945 definiert, was dazu führte, daß sich nicht nur in den unterschiedlichen Regionen, sondern auch in den verschiedenen Ortschaften eines Bezirks das Leben der Deportierten ganz unterschiedlich gestaltete. Das definierte sich einfach aus dem menschlichen Faktor heraus.

1.3. Schlußfolgerungen zum Kapitel

Laut der Allunionsvolkszählung in der UdSSR vo 1939 lebten in West-Sibirien 101 300 Personen deutscher Nationalität, was 1,1% der gesamten Bevölkerungszahl dieser Region ausmachte [22, S. 156]. Zu Beginn des Jahres 1942 befanden sich auf dem Territorium West-Sibiriens bereits etwa 300 000 Personen deutscher Nationalität [25, S. 86]. Die Deportation veränderte nicht nur das spezifische Gewicht der deutschen Bevölkerung in der Region, sondern zog auch weitreichende Veränderungen in der Lage der Deutschen nach sich. Aus gleichberechtigten Bürgern der UdSSR hatten sie sich in eine Kategorie von Personen verwandelt, die schlimmsten Diskriminierungen unterworfen waren.

Auf diese Weise wurden vom 8. bis 10. Oktober 1941 insgesamt 214 wolgadeutsche Familien (= 970 Personen) in den Jenisejsker Bezirk, Region Krasnojarsk deportiert. Die Bevölkerung, die von einer speziellen Umsiedlung betroffen war, wurde zum weiteren Verbleib auf alle Ortschaften und Kolchosen des Jenisejsker Bezirks verteilt. An die Orte der Sonderansiedlung
gerieten die Deportierten in den meisten Fällen als geschlossene landsmännische Gruppen (aus ein- und derselben Ortschaft).

1942-43 wurden die Wolgadeutschen, die 1941 in die südlichen und zentralen Bezirke der Region Krasnojarsk (Minusinsk, Karatus, Nischneingasch, Beresowka, Kuragino) verschleppt worden waren, Opfer einer zweiten Deportation in den Bezirk Jarzewo – nach Nasimowo, Jarzewo, Fomka, Kolmogorowo, Ponomarjowo, Nikulino. Ihre zahlenmäßige Größenordnung - 60 Personen – gestattet es, von einer Tendenz zur wiederholten Deportation zu sprechen. Ähnliche Fakten (21 Personen) lassen sich auch innerhalb der nördlichen Territorien bei der Umsiedlung in vergleichsweise nicht weit voneinander entfernte Siedlungen beobachten. Die Geographie der Umsiedlung ist vielseitig. Die territoriale Gemeinsamkeit der Deportierten, wie sie in einer Reihe von Ortschaften des Jenisejsker Bezirks zu beobachten war, blieb nicht gewahrt.

Mit dem Ukas von 1941 sah das oberste gesetzgebende Organ der UdSSR –das Präsidium des Obersten Sowjets – die Rußland-Deutschen formell als Kriminelle nach dem Strafrecht an. Der Status der deutschen Bevölkerung in West-Sibirien im Laufe der 1940er Jahre besaß zwei Seiten: eine formelle und eine reale. Eine ganze Reihe von Anordnungen der Regierung, die zwischen 1941 und 1945 verabschiedet wurden, machten den neuen Rechtsstatus der deutschen Bevölkerung der UdSSR offiziell rechtskräftig und festigten ihn. In der Praxis war er der Rechtslage von Personen gleichgestellt, die Verbrechen gegen den sowjetischen Staat verübt hatten [3, S. 195].

Der Zwangscharakter der Umsiedlung, die Mitwirkung der NKWD-Organe, das Fehlen exakter Erläuterungen über die Gründe der Deportationen, die Unklarheit der Rechtslage an den neuen Aufenthaltsorten wirkten sich in erheblichem Maße auf das weitere Schicksal der Verschleppten aus.

Kapitel II. Die Ankunft der deportierten Staatsbürger auf dem Territorium des Jenisejsker Bezirks (1941-1945)

2.1. Arbeitseinsatz von Bürgern, die in den Jenisejsker Bezirk deportiert wurden.

Große Auswirkungen auf die Wirtschaft West-Sibiriens hatte die Mobilisierung der arbeitsfähigen Bevölkerung in die Rote Armee. Als Ergebnis des Großen Vaterländischen Krieges nahm die Zahl der Menschen, die sich im arbeitsfähigen Alter befanden und vorwiegend in der Kolchoswirtschaft beschäftigt waren, in Sibirien deutlich um 36% ab, was natürlich einen jähen Bedarf an Arbeitskräften hervorrufen mußte. Die Ankunft einer bedeutsamen Menge deutscher Sonderumsiedler, die auf das Territorium des europäischen Teils der UdSSR verschleppt worden waren, konnte in entscheidender Weise das Problem des Arbeitskräftemangels lösen [1, S. 119].

Bildungsniveau und Grad der beruflichen Qualifizierung der deutschen Umsiedler im Vergleich mit der ortsansässigen Bevölkerung waren ziemlich hoch. Sie konnten eine würdigere Verwendung sowohl in der Landwirtschaft, als auch in industriellen Bereichen finden. Nach den Angaben von G. Luft aus dem Jahre 1937 waren in der Landwirtschaft der Republik der Wolgadeutschen 12744 Traktoristen, 1668 Mähdrescherfahrer, 927 Fahrer, 347 Traktorführer und Mechanisatoren und insgesamt 1137 Agronomen, Tierärzte, Zootechniker, Spezialisten für Bodenverbesserung und Bodenbewirtschafter. Insgesamt zählte die wolgadeutsche Republik mehr als 20 000 Personen aus qualifizierten technischen Berufsgruppen, d.h. durchschnittlich jeweils 50 Mann pro Kolchose [14, S. 57].

Anfangs hatte die sowjetische Leitung keine klar formulierten Pläne in Bezug auf den Arbeitseinsatz der Deutschen. Daher waren die lokalen Behörden gehalten, die Deportierten zum Arbeiten in der Landwirtschaft einzusetzen. Die Unterbringung der Deutschen ging mit einem Verbot einer Zuzugsgenehmigung für Städte einher. Fast die gesamte eingetroffene Bevölkerung, darunter auch ehemalige Bewohner von Städten und Kreisstädten, wurde, unabhängig vom verherigen Arbeitsplatz und der eigentlichen beruflichen Qualifikation, in Kolchosen geschickt [5, S. 32]. So arbeiteten in der Region Krasnojarsk, trotz der großen Anzahl Stadtbewohner (60-65%), die hierher geschickt wurden, die Deutschen ebenfalls hauptsächlich in Kolchosen und Sowchosen.

Als Ergebnis der Deportationen waren im Jenisejsker Bezirk von 967 eingetroffenen Personen 496 arbeitsfähig, davon 251 Frauen und 245 Männer (die Zahl der Kinder und Heranwachsenden bis 16 Jahre betrug dementsprechend 484 (Anl. 7).

Nach dem sozialen Status sah die deportierte Bevölkerung folgendermaßen aus:

Kolchosbauern – 71 Familien
Arbeiter – 90 Familien
Bedienstete – 53 Familien (Anl. 8)

Die am meisten verbreiteten Berufe unter den Deportierten im Jenisejsker Bezirk:

Berufsausbildung Anzahl der Personen
Traktoristen (Frauen) 25 (1)
Mähdrescherfahrer (Frauen) 10 (2)
Fahrer (Frauen) 22 (2)
Automechaniker 2
Schmiede 5
Drechsler 10
Schlosser 8
Maschinisten 5
Motoristen 1
Lehrer 13
Rechnungsführer-Buchhalter 15
Ärzte 2
Agronomen 1
Zootechniker 1
Tierarztgehilfen 1

In den Deportierten-Listen finden sich auch Berufe, wie beispielsweise Ermittlungsrichter der Staatsanwaltschaft, Leiter der Bezirksfinanzabteilung (Jerkalowo), Tierarztgehilfe, Vorsitzender der Näherei-Genossenschaft (Pogodajewo), Laborant des medizinischen Instituts, Miliz-Angehöriger, Weber (Jalan) (Anl. 9) [1]. Der Arbeitseinsatz der Deutschen begann praktisch sofort bei ihrer Ankunft in den Ansiedlungsbezirken. Bei der Aufnahme der Deutschen in den Arbeitsprozeß wurde eine differenzierte Vorgehensweise festgelegt.
Landwirtschaftliche Spezialisten mußten uneingeschränkt in Kolchosen, Bezirkslandwirtschafts-Genossenschaften, Maschinen- und Traktoren-Stationen sowie der regionalen Grund- und Bodenabteilung eingesetzt werden. Etwas leichter fanden Buchhalter und andere Mitarbeiter im Rechnungswesen Arbeit, deren Tätigkeit besonders in ländlichen Gegenden sehr gefragt war, wo die Umsiedler ohne jede Einschränkung leben konnten (genossenschaftliche Industrie-Kooperativen, Beschaffungsbüros, Dorfkonsumgesellschaften u.a.). Entsprechend ihrer Berufsausbildung wurden auch teilweise Mitarbeiter aus dem Bereich der Medizin eingesetzt. So fand beispielsweise Andrej Samuilowitsch Ziklers Mutter nach einiger Zeit eine Arbeitsstelle, die ihrer beruflichen Ausbildung entsprach – sie wurde Hebamme und Krankenschwester: Mitteilung von A.S. Zikler [16]. Nur bei den dörflichen Sonderumsiedlern gab es keinerlei Probleme in Sachen Arbeitsplatzsuche, denn im Zusammenhang mit der Mobilisierung der männlichen Bevölkerung zur Roten Armee herrschte in der Landwirtschaft ein erheblicher Mangel an Arbeitskräften. Die Schwierigkeiten bei der Einstellung von „Ingenieuren, Technikern, Professoren und Lehrpersonal“ stand mit dem Verbot zusammen, den deutschen Umsiedlern für größere Städte eine Zuzugsgenehmigung zu gewähren, in der die Industrie entwickelt war und es eine große Nachfrage nach diesen Berufsgruppen gab. Trotz des hohen Bedarfs an eben diesen Spezialisten, wurden sie dennoch bei solchen Arbeiten eingesetzt, die auch von ungelernten Arbeitern hätten erledigt werden können. So war zum Beispiel in der Kolchose „Lenins Vermächtnis“ im Jenisejsker Bezirk der Deutsche I.K. Zitzer, der eigentlich eine höhere landwirtschaftliche Ausbildung erhalten hatte, als Hilfsarbeiter tätig. In der Jarzewsker Waldwirtschaft arbeitete A.A. Galuschka als Holzfäller, obwohl er eine mittlere Ausbildung zum Zootechniker gemacht und bereits sieben Jahre Berufserfahrung hatte; M.A. Mjasin – Zootechniker, wurde in der Holzfällerei eingesetzt. In der „Gorkij“-Kolchose arbeitete F.I. Maier, Agronom von Beruf, als Registrator [16].

Die Ausnutzung der Arbeitskraft der Deutschen in Industrieunternehmen war auch begleitet von einer ganzen Reihe, diesmal offizieller, Richtlinien. Sie waren in einer erläuternden Notiz des stellvertretenden Volkskommissars für innere Angelegenheiten Tschernyschow und dem stellvertretenden Volkskommissar für Staatssicherheit Kobylow enthalten. Der Kern dieser Forderungen bestand darin, daß die Deutschen „auf dem Bau und in Hilfswirtschaften“ verwendet werden konnten, aber auch „in den Mechanik-Werkstätten von Unternehmen, mit Ausnahme von explosionsgefährdeten, wobei ihre Zulassung dorthin im Einzelfall zu entscheiden war, wobei man sich auf die örtlichen Gegebenheiten stützte und eine sorgfältige Beobachtung der betreffenden Personen gewährleistet sein mußte“. [12, S. 187].

In der Region Sibirien nutzte man die Arbeitskraft der Deportierten in breitem Umfang in den Kolchosen und Sowchosen, in der Holzbeschaffung, beim Fischfang und beim Straßen- und Wegebau. „Wir arbeiteten in einer Fischfang-Genossenschaft, in der Fischfabrik; deswegen konnten wir ein wenig Nahrung nach Hause mitnehmen und diese mit den übrigen Familienmitgliedern teilen. E.J. Gorodezkaja [16]. Emma Filippowna Abich und Elsa Iwanowna Schröder arbeiteten im Winter in der Holzfällerei; sie mußten die Bäume manuell fällen (Anl. 9).

Aufgrund der Diskriminierungen hinsichtlich ihres Rechtsstatus waren die Deutschen als Ausgesiedelte in ihrem Recht auf Arbeit erheblich eingeschränkt. Trotz ihrer Arbeitsleistungen und Fähigkeiten, entzog man den Deutschen die Sonderzahlungen für eine Überfüllung der Arbeitsnorm: J.G. Adolf, M.A. Buchgamer (Buchhamer?) [16], S.N. Tschaadajewa, F.K. Engelhard, verweigerte ihnen das Recht, in den Kolchosvorstand und die Revisionskommissionen gewählt zu werden. Aber es gab Fälle, in denen die Repressierten Brigadeführer wurden. Zum Beispiel arbeitete Jakob Karlowitsch Stol viele Jahre als Brigadeleiter in der Ortschaft Ust-Kem, und der Dorfälteste dort war der deportierte Vater von J.F. Abich. Anspornende Belohnungen waren nach den Erinnerungen von L.O. Dementewa Urkunden; manchmal wurden aber auch an Feiertagen Sachgaben überreicht [16].

Unenthüllt blieb aus einer Reihe von Gründen bei der vorliegenden Forschungsarbeit die Frage, ob die Deportierten für ihre Arbeit eine Entlohnung erhielten. Erstens wurde kein rechtsverbindliches Dokument gefunden, das irgendeine Form der Bezahlung reglementiert hätte. Zweitens sind die Erinnerungen der Deportationsopfer über Art und Höhe der Bezahlung widersprüchlich.

Ein Teil der Befragten – E.G. Adolf und E. I. Wlasowa – merken an, daß sie keine Bezahlung erhielten, dafür aber eine Lebensmittelration: 500 gr Brot (anderen Angaben zufolge 350 gr),; für nichtarbeitende Familienmitglieder waren es 200 gr. Sie arbeiteten nur für diese Ration. Die geleistete Arbeit wurde in „Stöckchen“ gezählt – so eine Art Tagesarbeitseinheiten [16].
Die Ortseinwohner gaben ihnen alte Kleidungsstücke, und an diejenigen, die in der Holzfällerei tätig waren, wurden wattierte Jacken und Hosen ausgeteilt [16]. Den ersten Lohne bekamen sie 1947: Erinnerungen von L.A. Schmig (Schmidt?) [16], F.G. Engelhard [16]. Anderem Quellen zufolge, L.O. Dementewa, Ch.F. Kipel, wurden sie mit Geld entlohnt, aber es war sehr wenig. Das Geld bekamen sie nach getaner Arbeit: wer wieviel Holz gesägt hatte. 12-14 Stunden pro Tag mußten sie arbeiten. Arbeitsanreize gab es, und sie wurden viermal am Tag mit Essen versorgt (sie bekamen auch Verpflegung entsprechend der von ihnen geleisteten Arbeit).

In der Hauptsache vollzog sich der Arbeitseinsatz der Deutschen in den Kriegsjahren durch Mobilisierung, zuerst der Männer und Frauen etwas später der Frauen, in Arbeitskolonnen – gemäß Anordnung des Staatlichen Verteidigungskomitees N° 1123 (streng geheim) vom 10.01.1942 „Über die Vorgehensweise beim Arbeitseinsatz deutscher Umsiedler im Einberufungsalter zwischen 17 und 50 Jahren“. Ähnliche Maßnahmen wurden auch auf dem Territorium der Region Krasnojarsk durchgeführt. Durch diese Arbeitsmobilisationen löste das NKWD teilweise das Problem der Sicherstellung billiger Arbeitskräfte für Unternehmen mit eigenständiger Verwaltung und erhielt gleichzeitig ein ausreichend bewegliches und sich widerspruchslos unterordnendes, arbeitsfähiges Kontingent.bereits infolge der ersten Einberufung im Januar 1942 schickten das regionale Kriegskommissariat und das NKWD etwa 10000 deutsche Männer im Alter von 16 bis 55 Jahren in die „Trudarmee“ (Arbeitsarmee; Anm. d. Übers.). Die Hälfte der Mobilisierten kam zum Holzeinschlag zur Verfügung des KrasLag an der Station Reschoty, die übrigen 5000 begaben sich mit Eisenbahnzügen bis ins WjatLag. Im März 1942 wurden die ortsansässigen Deutschen in Arbeitskolonnen mobilisiert, die ihren ständigen Wohnsitz in Gebieten, Regionen, autonomen und Unionsrepubliken hatten. Die neu Mobilisierten gerieten ebenfalls in den Einzugsbereich des NKWD der UdSSR [13, S. 39] (Anl. 6).

Angaben über Trudarmisten, die in den dutzenden Bezirkskriegskommissariaten der Region verwahrt werden, haben es bis zu einem gewissen Maße gestattet, die Vorstellungen über den Bestand an mobilisierten Deutschen nach Geschlecht und Alter zu verallgemeinern. Von den 3646 in den Jahren 1942-1943 in die Trudarmee einberufenen Personen waren drei Viertel Männer (2692) und ein Viertel Frauen (954). Die Altersstruktur der Kontingente war unterschiedlich. Die Männer waren im Großen und Ganzen „älter“. Die Burschen unter 18 Jahren machten darunter einen Anteil von 15% aus [11, S. 50]. Man muß hinzufügen, daß die Massen-Arbeitsmobilisierungen der Deutschen eine Fortsetzung der Repressiv-Politik des Staates in Bezug auf Vertreter der vorliegenden Natonalität darstellten. Abgesehen von ihrer repressiven Funktion besaßen sie auch noch einen ganz bestimmten wirtschaftlichen Inhalt. Die breite Ausnutzung der Zwangsarbeit der deportierten Völker illustrierte in hervorragender Weise den Mobilisationscharakter der sowjetischen Wirtschaft, welche sowohl in Friedens- als auch zu Kriegszeiten ganz gleiche Methoden unfreiwilligere Arbeit anwendete, um damit die wichtigsten volkswirtschaftlichen Aufgaben zu lösen.

Nach der Analyse des Arbeitsaufbaus und der Verwendung der deutschen Sonderumsiedler, muß man das niedrige Niveau in Bezug auf qualifizierte Kader anmerken, die bei einem Arbeitseinsatz entsprechend ihrer Berufsausbildung dem Staat erheblich mehr Nutzen hätten bringen können, als mit ihrer unproduktiven physischer Arbeit, welche für die große Masse der Sonderumsiedler für viele Jahre grundlegend war. Auf diese Weise gingen der Volkswirtschaft tausende hochqualifizierte Spezialisten verloren: Arbeiter, Angestellte, Wissenschaftler, Ingenieure, Akteuere im Bereich der Kultur. Und wenn auch zu Kriegszeiten die Mehrheit der Bevölkerung körperliche Arbeiten in dem Bewußtsein zu verrichten hatte, daß dies zum Wohl der Heimat, zum Wohl des Vaterlandes geschehe und sie nach Kriegsende wieder in ihren erlernten Beruf zurückkehren könnten, so besaßen die deutschen Umsiedler ein solches Recht bis 1955 nicht, ebenso lange, wie für sie noch das Regime der Sonderansiedlung Gültigkeit besaß. Das Arbeitspotential der Rußland-Deutschen, das zu den höchsten inmitten der sowjetischen Nationalitäten zählte, war aufs Äußerste erschüttert und untergraben. Für den Jenisejsker Bezirk hatte die Arbeit der Deportierten eine weitreichende Bedeutung, denn in den Jahren des Krieges stellte der Mangel an arbeitsfähiger männlicher Bevölkerung ein riesiges Problem dar, und die deportierten Bürger konnten diesen Mangel teilweise liquidieren.

2.2. Sicherstellung der Versorgung der Deportierten mit lebenswichtigen Ressourcen

In die Region Krasnojarsk begannen die Züge ab dem 15. September einzutreffen (1. Zug N° 840 – er bestand aus 48 Waggons, mit denen 677 Familien bzw. 2482 Personen ankamen).
Im Durchschnitt befanden sich in jedem Waggon 51 Menschen. Es war geplant, in der Region Krasnojarsk bis Ende 1941 in 40 Bezirken 75000 Personen aufzunehmen und unterzubringen.
[25, S. 61]. Wie sich aus Aufzeichnungen des Krasnojarsker Gebietskomitees der WKP (B) vom 8. Januar 1942 „Über die wohn- und arbeitsmäßige Unterbringung der aus den Wolga-Rayons angekommenen deutschen Umsiedler“ ergibt, trafen in der Region jedoch insgesamt 77359 Personen ein [9, S. 21-22].

Im Jenisejsker Bezirk kamen am 8. Oktober 970 Menschen an. Am 10. Oktober wurde die gesamte neu eingetroffene Bevölkerung auf alle Kolchosen und Dorfräte des Jenisejsker Bezirks verteilt [1].

In seiner Forschungsarbeit merkt A.A. Schadt an, daß in allen Bezirken, die Deutsche aufgenommen hatten, Normativakte erarbeitet worden waren, in denen von einer „kostenlosen Bereitstellung von freien Häusern, Wirtschaftsgebäuden und Materialien zum Bau von Häusern für alle ehemaligen Umsiedler-Mitglieder“ die Rede war. Es wurde vorgeschlagen, beim Fehlen von Häusern und Wirtschaftsgebäuden den Bau solcher Objekte durch die Arbeitskraft der Umsiedler selbst zu organisieren, und zwar mit der Maßgabe, „daß diese Gebäude bis zum 1. April 1942 fertiggestellt sein sollen“. [25, S. 61].

Da die Gebiets- und Regionsbehörden keine weiteren Verordnungen im Hinblick auf die häusliche Unterbringung der Sonderumsiedler verabschiedeten, stellt das vorliegende Dokument praktisch den grundlegenden Regulator der gesellschaftlichen Beziehungen in diesem Bereich dar, und das zudem noch für einen ziemlich langen Zeitraum – bis 1944. Die Anordnung ist im Grunde genommen eine Illustration der Vorhaben der örtlichen Leitung, für die Umsiedler zufriedenstellende Lebensbedingungen zu schaffen. Allerdings wurden die meisten Grundgedanken dieses Akts, wie weiter unten zu sehen ist, überhaupt nicht erfüllt. Und schließlich weist der Inhalt der Verordnung auf eine Unaufrichtigkeit der sowjetischen nationalen Politik in Bezug auf die deutschen Sonderumsiedler hin: einerseits die gewaltsame Aussiedlung, andererseits eine Entschädigung (wenn auch nur in Form einer Erklärung) für den verlorenen Besitz, die Zuteilung nahegelegener Landstücke, Wohnraum u.ä., wodurch sich die Deutschen besonders von der übrigen Masse der Sondersiedler, Kulaken u.a. unterschieden, die schon zu einem früheren Zeitpunkt nach Sibirien verschleppt worden waren. Wie gestaltete sich nun die reale Lage der deportierten Bevölkerung?

Die Lösung des Wohnungsproblems. Laut Anordnung hätten allen Umsiedlern freie Häuser , Wirtschaftsgebäude und Materialien zum Bau von Häusern zur Verfügung gestellt werden müssen. Es wurde verlangt, daß bei Nichtvorhandensein fertiger Häuser und Wirtschaftsgebäude die Errichtung derartiger Objekte durch die Umsiedler selbst organisiert werden sollte.

Anfangs mußten einige in Erdhütten leben (M.A. Gelrot, [16] A.S. Zikler, E.I. Wlasowa, L.I. Leonowa [16], manche wurden für mehrere Tage im örtlichen Klubhaus untergebracht – L.I. Schubajewa [16], E.J. Gorordezkaja [16], M.K. Kihl (Kiel?) [16]. Nach eingehender Analyse der Erinnerungen von Zwangssondersiedlern, kann man zu dem Schluß kommen, daß sie am häufigsten in verlassenen, in vielen Fällen zum Wohnen ungeeigneten Häusern einquartiert wurden, und dann noch mit mehrern Menschen oder gar Familien (A.W. Belmann, A.F. Hihl, I.K. Zitzer [16], E.F. Abich [16]. Zeitweise entstanden Situationen, die schon fast etwas Lächerliches an sich hatten. So erinnert sich beispielsweise I.L. Schuwajewa [16]: „Zuerst wurden alle im Klubhaus untergebracht, dann kamen immer jeweils 2-3 Familien in einem Haus unter. Die aus zahlreichen Familienmitgliedern bestehende Familie Gelinger (11 Personen) kam in einem separaten Haus unter. Später hatten sie dann ihre eigene Hütte: sie hatten sie gegen 5-6 Porträts von Kalinin, Woroschuilow u.a. eingetauscht, die sie aus der Heimat mit hierher gebracht hatten“.

Typisch für die damalige Zeit war die Unterbringung der Deportierten in Baracken; gebaut wurden sie u.a. von K.G. Adolf, A.P. Gelrod [16], E.I. Wlasowa, E.F. Abich [16]. Und in diesen Baracken, kalt, mit viel zu hoher Luftfeuchtigkeit (so daß während der Nacht noch nicht einmal die durchnäßte Arbeits“robe“ trocknen konnte), in denen sich auch durch die Kanonenöfen keine Wärme verbreitete, mußten die Menschen fortan leben, sich miteinander bekannt machen, sich verlieben und neue Familien gründen. „Meinen Mann lernte ich in Fomka kennen; wir lebten in ein- und derselben Baracke als Nachbarn, nur durch eine Lehmwand getrennt, durch die wir uns unterhielten, uns mit Klopfzeichen verständigten – und dann haben wir irgendwann geheiratet“: E.J. Gorodezkaja [16]. Die Deportierten wurden auch in ortsansässigen Familien untergebracht: A.W. Belmann, A.A. Stumpf [21, S. 6]. Eine derartige Lösung der Wohnraumfrage führte zu engsten Wohnverhältnissen; die Menschen hockten in manchen Fällen so dicht aufeinander, daß sich 6-7 Mann auf einer Fläche von 10 Quadratmetern einrichten mußten, jeweils 5 oder mehr Familien pro Wohnung [25, S. 62]. Und natürlich wirkte sich das auf die gegenseitigen Beziehungen mit der örtlichen Bevölkerung nicht gerade positiv aus, deren Unmut man sich in der gegebenen Situation nur allzu gut vorstellen kann.

Kompensation für den zurückgelassenen Besitz. Laut Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR „Über die Umsiedlung der in den Wolga-Rayons lebenden Deutschen“ vom 28. August 1941 sowie den Gebiets- und Regionsanordnungen in Bezug auf das wirtschaftliche Zurechtkommen der Sonderumsiedler, war theoretisch eine Auszahlung für den zwangsweise zurückgelassenen Besitz vorgesehen. Daß derartige Aktionen seitens der Behörden tatsächlich vorgesehen waren, bestätigen auch Erinnerungen der Deportierten, in denen sie darauf hinweisen, daß sie im Moment der Aussiedlung Bescheinigungen ausgehändigt bekamen, auf denen der hinterlassene Besitz inventarisiert war (Haus, Vieh, Wirtschaftsgebäude, Liste der konfiszierten Gegenstände) und daß man ihnen versprach, bei ihrer Ankunft in Sibirien Ersatz zu leisten: M.Ch. Kiel (Kihl?), E.I. Wlasowa, aber nichts dergleichen geschah. Eine Analyse der Tabelle „Besitzlage und wirtschaftliche Nutzung der Deportierten in der Ortschaft Jarzewo“ und „Besitzlage und wirtschaftliche Nutzung der Deportierten in der Ortschaft Nasimowo“erlauben uns, eineVorstellung davon zu bekommen, welche Gefühle die Deportierten in sich getragen haben müssen und was für ein materieller Verlust (ohne jegliche Entschädigung) ihnen widerfuhr. Beispielsweise: die Familie Adolf – keine große Hofwirtschaft: drei Kühe, Schweine, Hühner; die Familie Zitzer lebte in einem großen, zweigeschossigen Haus, besaß eine große Wirtschaft; die Familie Dorodezkij – 3 Pferde, 3 Kühe; die Eltern von L.W. Schmidt lebten in einem kleinen Ziegelhaus, besaßen eine Hofwirtschaft; die Familie Stumpf – 2 aus Stein gebaute Häuser (Anl. 10, 11, 12).

Die Analyse des Wirtschaftsbuches der wichtigsten Produktionsziffern der Kolchoswirtschaft im Prutowsker Dorf-Sowjet (1941-1945) läßt den Schluß zu, daß keiner der deportierten Deutschen, die in den Kolchosen des Prutowsker Dorfrates tätig waren, irgendetwas zu privaten Nutzung zur Verfügung hatten – weder Hornvieh, noch Schweine, Ziegen oder Schafe (Anl. 13).

Wenn dies auch nur sehr selten vorkam, so gab es doch Fälle, in denen verlorener Besitz zurückerstattet wurde. So bekam I.L. Schuwajewa, die in die Jerkalowsker Kolchose verschleppt wurde, aufgrund des ihr in der Ortschaft Grimm (wo sie früher gelebt hatte) ausgehändigten Dokuments, eine Kuh zugeteilt. Die Familie A.Ch. Witmann, deportiert in die Potapowsker Kolchose, erhielt bei ihrer Ankunft ein separates Haus zugewiesen und erhielt Geld für den bei der Aussiedlung konfiszierten Besirtz [16]. Keine Bezahlung (Lohn) erhielten die umgesiedelten Deutschen auch nicht für die 1941 in den Aussiedlungsorten geleisteten Tagesarbeitseinheiten. Traktoristen und Mähdrescherfahrern wurde der in Naturalien berechnete Teil ihres Lohns vorenthzalten. Wie A. Schadt anmerkt, war in vielen Fällen die Durchführung einer vernünftigen Berechnung unmöglich, weil es keine genauen Daten über die Verteilung und Anzahl der tatsächlich erarbeiteten Tagesarbeitseinheiten durch die einzelnen Wirtschaften. Zu all diesen Problemen wurden Anfragen an die Regierungsorgane gerichtet, aber es kam von dort nie eine Antwort [25, S. 61].

Zuteilung von Landstücken. Über die Notwendigkeit der Zuteilung von kleinen Bodenflächen zum Bewirtschaften an den neuen Wohnorten war im Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR „Über die Umsiedlung der in den Wolga-Rayons lebenden Deutschen“ vom 28. August 1941 die Rede (Anl- 4).

In den Erinnerungen der Befragten wird eine solche Zuteilung von Landstücken erwähnt: A.S. Zikler [16]. Aufzeichnungen im Wirtschaftsbuch der wichtigsten Produktionsziffern der Kolchoswirtschaft im Prutowsker Dorf-Sowjet (1941-1945) bestätigen, daß allen deportierten Familien (unabhängig von der Anzahl Personen) Boden für den Gemüseanbau zugewiesen wurde – 0,11 (wahrscheinlich ist von 11 Hundertsteln die Rede) (Anl. 13).

Verfügbarkeit und Sicherstellung der wichtigsten Gebrauchsgegenstände. Die sibirischen Kolchosen, die am Rande der Armutsgrenze lebten und am Hungertuch nagten, waren nicht in der Lage, den Lebensunterhalt für die Neuankömmlinge zu garantieren. Die Deutschen sahen sich mit dem Problem des Überlebens konfrontiert. Das weiter oben gezeigte Bild betrifft das
Leben der Bauern ohne nationalen Unterschied, aber die Lage der deutschen Sonderumsiedler war noch weitaus schwieriger. Verschärft wurde die ganze Situation noch dadurch, daß die Deportation mitten im Herbst stattfand; somit hatten die Sonderumsiedler überhaupt keine Möglichkeit, sich in ausreichendem Maße auf den Winter vorzubereiten. Und dementsprechend bewirkte die Mobilisierung der arbeitsfähigen deutschen Bevölkerung in Arbeitskolonnen einen jähen Abfall ihres Lebensstandards. Die deportierten Deutschen fanden sich in einer viel schwierigeren Lage wieder, denn sie konnten, im Unterschied zu den Ortsansässigen, nicht mit der Unterstützung ihrer Verwandten rechnen, und, im Unterschied zu den Soldatenfamilien, auch nicht mit der Hilfe des Familienoberhauptes.

In der Anfangszeit ernährten sie sich von dem, was sie von der Wolga hatten mitbringen können. Zitzer [16]: „Wir hatten es gerade mal geschafft, nur das mitzunehmen, was wir auf dem Leib trugen; außerdem ein Fäßchen Speck (sie hatten in letzter Minute noch ein Ferkelchen schlachten können) sowie selbstgemachte Fadennudeln. Wenn der Zug anhielt, kochte d8ie Mutter Suppe: L.I. Leonowa [16]. Zumeist versuchten sie aus der schwierigen Lage dadurch herauszukommen, daß sie muitgebrachte Sachen, Kleidungsstücke gegen Lebensmittel eintauschten. So hatte zum Beispiel Maria.Jekaterina Friedrichowna Buchhammer viele schöne, trachtenähnliche Kleidungsstücke mitgenommen. Das half ihnen zu überleben. Ein Kleid tauschte die Familie Buchhammer gegen einen Eimer Kartoffeln oder Milch und andere Nahrungsmittel: M.F. Buchhammer [16]. Christina Fjodorowna Portnjagina (Kippel) erinnert sich, wie ihre Mutter auf dem Bahnhof ihren Daunenschal für einen Laib Brot tauschte, um nur den Kindern etwas zu essen geben zu können. Für einen neuen Teppich konnten man zwei Eimer Kartoffeln bekommen: I.L. Schwajewa [16]. Alles, was sich nur finden ließ, nahm diesen Weg an die Tauschbörse: Silberlöffel, Kissen, Hunde (wahrscheinlich reinrassige).

Es fehlte hinten und vorne an Kleidung. „Und manchmal trugen zwei Kinder abwechselnd ein- und dasselbe Kleidungsstück, um in die Schule gehen zu können“: M.A. Gelrot [16]. „Den ersten Winter standen wir ohne warme Kleidung durch. Die Männer trugen Jacketts und Gummi-Überschuhe, die Kinder saßen zuhause. Später fing die Mutter an, Filzstiefel mit Sohlen auf der Nähmaschine zu nähen“: I.L. Schuwajewa [16].

Gegen Mitte des Winters, als die Vorräte zur Neige gegangen, alle wertvollen und weniger wertvollen Sachen verkauft oder bereits gegen Esswaren und Kleidungsstücke eingetauscht worden waren, begann ein echtes Hungerdasein. „Ein Stück der mitgebrachten Sachen nach dem anderen war für Nahrung weggegeben worden, für Kartoffeln, Salz, Butter. Nur die Nähmaschine stand noch da“: I.L. Schuwajewa [16]. Die Menschen sammelten die Vorjahreskartoffeln vom Acker, buken daraus Fladen oder erhitzten sie so auf dem Ofen: E.F. Abich [16].

Stellenweise, besonders in den nördlichen Gegenden, fielen die deutschen Familien in tiefe Armut – sie fristeten ein elendes Hungerdasein und mußten betteln gehen. S.F. Golowatsch [16]: „Als die Fischer kamen und den Hunden Fisch zum Fraß vorwarfen, sammelten sie ihn auf und aßen ihn. Sie sammelten auch Kartoffelschalen aus dem Abfall, wuschen und kochten sie und aßen sie dann auf“.

Wenn man einige dieser Erinnerungen gelesen hat, dann begreift man, was der Hunger für ein Kindergesicht besaß: „Tante Polina hatte schöne, dicke Zöpfe. Und meine Schwester und ich stritten vor dem Schlafengehen immer, wer neben ihr schlafen dürfte. In der Nacht wickelten wir uns heimlich die Enden ihrer Zöpfe um die Finger und nuckelten daran – so sehnlichst wollten wir essen…. Und dann erinnere ich mich auch noch daran, daß es im Gemüsegarten ein kleines Beet mit Mohrrüben gab, und wir es gar nicht abwarten konnten, bis sie groß genug waren. Und als sie schließlich mit ihren feinen orangefarbenen Äderchen die Erde durchbrachen, da gab es für uns kein Halten mehr. Wir aßen alles, was man noch nicht wirklich als Möhre bezeichnen konnte, und das Kraut stopften wir einfach wieder in den Boden zurück“: L.L. Josifowa [16].

Aber die findigen, fleißigen Menschen überlebten – trotz aller widrigen Lebensumstände. Und meistens war es nicht die um Almosen bittende ausgestreckte Hand, die sie rettete. Ihre eigenen, arbeitenden Hände waren es, die kein Ausruhen, keine Müdigkeit kannten. „Die Deutschen konnten ausgezeichnet nähen, weben, stricken und spinnen – erinnert sich E.F. Abich [16], - alles, was mit Handarbeit in Zusammenhang stand, gelang ihnen. Auch meine Mutter konnte sehr gut handarbeiten. Oft half sie den Nachbarinnen. Und auch die verweigerten ihre nicht ihre Hilfe und waren zu Tauschgeschäften bereit“. Vielleicht ist das der Grund, weshalb Jekaterina (Katharina) Georgiewna Adolf das Spnnrad für den bedeutsamsten Gegenstand in ihrem Hause hält, denn gerade dieses Spinnrad, aber auch eine von der Wolga mitgebrachte, kindliche Stickerei, halfen ihnen zu überleben. Die Stickerei verschenkte E.G. Adolf an Mitglieder einer Expedition (Anl. 14).

Selten, aber doch gelegentlich tauchen in den Erinnerungen Erwähnungen darüber auf, daß man Menschen, die damals im Wald arbeiten mußten, Wattejacken und –hosen aushändigte: „Die Ortsansässigen gaben uns ihre alte Kleidung, und diejenigen, die in der Holzfällerei arbeiten mußten, erhielten Wattejacken und -hosen zugeteilt“: E.I. Wlasowo [16]. Aber bei 50 Grad Frost, den die Leute, die zu unfreiwilligen Sibirjaken geworden waren, aus den mittleren Landstrichen Rußlands nicht kannten, war es in Wald und Feld unerträglich kalt.

2.3. Wechselbeziehungen zwischen deportierten Staatsbürgern und der ortsansässigen Bevölkerung

Die Beziehungen zwischen den Deutschen und den Ortsansässigen gestaltete sich während des gesamten Krieges recht widersprüchlich. Die erste Reaktion auf die Ankunft der unerwarteten Umsiedler war gespannte4 Aufmerksamkeit, häufig auch Feindseligkeit. Offene Formen von Mißmut, Unzufriedenheit und Mißgunst wurden in der ersten Zeit ziemlich häufig angetroffen. Mitunter wurden sie, wir sich A.W. Belmann erinnert, auch als „verfluchte Deutschenbrut“ beschimpft und mit Steinen beworfen“; außerdem versuichte man, bei ihnen das „dritte Auge“ zu finden [16], L.I. Leonowa. Die Sowjetdeutschen wurden für Faschisten gehalten, und kaum jemand wußte, daß die Deutschen bereits seit dem Ende des 18. Jahrhunderts auf Landesterritorium lebten. Ihr Leben lang wird J.G. Adolf einen Vorfall nicht vergessen, der sich mit ihnen in Kolmogorowo ereignete. Ende September, als sie gerade eingetroffen waren, fingen sie an, die Gemüsegärten der Ortsbewohner auf der Suche nach alten Kartoffeln zu durchwühlen, und betraten dabei auch ein Kolchosfeld. Sie wurden bemerkt. Eine deutsche Frau, der es nicht mehr rechtzeitig gelang zu fliehen, wurde dermaßen grausam und unbarmherzig verprügelt, daß sie zeitlebens Invalidin blieb [16].

Eine entscheidende Rolle bei der Wahl eines solchen Verhaltensmusters spielte die Nationalität der Deportierten. Ein Teil der ortsansässigen Bevölkerung assoziierte den „Deutschen“ mit einem „Faschisten“, wodurch sich ihr Verhalten dann auch erklären läßt. In den Jahren 1941-1944 wird, wie L.I. Oberfürder anmerkt, in den Anordnungen an die Gebietskomitees der Partei mehrmals darauf hingewiesen, daß sich das „Fehlen einer überzeugenden Massenaufklärung in den normalen Beziehungen zwischen Kolchosbauern und Deutschen zum Ausdruck kommt. Seitens der Kolchosleitung, aber auch bei der überwiegenden Mehrheit der Kolchosarbeiter herrschte feinseliges Verhalten vor. Sie sehen mit wenig Wohlwollen auf die Deutschen herab, haben ihnen gegenüber eine feindselige Einstellung, weil sie schlecht arbeiten und weil es einzig und allein ihre Schuld ist, daß Krieg herrscht“ [17, S. 187].

Über ziemlich komplizierte Beziehungen zwischen der Ortsbevölkerung und den ins Dorf Kolmogorowo Deportierten erzählt J.P. Gogonowa, geb. 1923, die in der Pflanzenzucht-Brigade arbeitete: „Wenn ich daneben stehe, dann mähen sie eifrig, aber sobald ich mich entferne, stecken sie die Sichel in die Erde und fangen an, in ihrer Sprache zu schnattern. Ich scheuche sie hoch im Galopp, aber sie geben mir nur zur Antwort: „Hitler, vorwärts!“ Und wenn mich der Teufel antreibt, aber arbeiten muß man – basta“. Eine scharfe Veränderung im Verhalten deportierter Frauen beobachtete J.P. nach der Wende im Großen Vaterländischen Krieg, als jene anfingen, wiederspruchslos ihre Arbeit zu verrichten, sich während der Mittagspause zu kleinen Grüppchen zusammenstellten, weinten und immer wieder vor sich hin sagten: „Hitler hat verloren, Hitler ist erledigt!“ J.P. erinnert sich auch noch an Vorfälle, bei denen Kartoffeln und Rüben gestohlen wurden, welche die Deutschen unter ihren Röcken verbargen, Getreide, das sie mit Wasser übergossen und auf diese Weise im Schnee versteckten. Und nach den Erinnerungen derselben J.P. kam im Jahre 1943 ein Bevollmächtigter namens Kalatschow aus Jarzewo zu ihnen ins Dorf, und einige der ehemaligen Wolga-Bewohner gaben zu, daß sie „Verbindungen zu Deutschland unterhielten“. Das weitere Schicksal dieser Leute ist unserer Gesprächspartnerin nicht bekannt. Es fällt nicht schwer, J.P. einer gewissen Voreingenommenheit gegenüber allen Deportierten zu verdächtigen – und mit ihnen J.Ps beste Freundin – Sina Ponomarjowa – die Tochter deportierter Deutschen [16].

Man muß anmerken, daß die Befragten, wenn sie sich an ihre Zeit als Sonderumsiedler erinnern, oft gleichzeitig von einem unerträglichen, aber andererseits auch humanen Verhalten ihnen gegenüber sprechen. A.P. Gelrot: „Die ortsansässige Bevölkerung benahm sich ganz unterschiedlich. Der Kolchosvorsitzende beispielsweise verhielt sich uns gegenüber gut, er half mit Lebensmitteln, Mehl und Kartoffeln, denn er wußte, daß wir ohne Mutter aufgewachsen waren. Aber es gab auch feindlich gesinnte Leute. Das äußerte sich in ständigen Kränkungen; es kam sogar vor, daß eintreffende Deutsche mit Steinen beworfen wurden. In Nasimowo, wo wir etwa ein Jahr lebten, waren die Ortseinwohner uns gegenüber negativ eingestellt“ [16].

Häufiger berichten in die südlichen, zentralen Bezirke der Region Krasnojarsk Deportierte über ihre guten Beziehungen zu den Ortsansässigen. Es kam nicht selten vor, daß diese den Deutschen Unterstützung erwiesen, Kleidung, Wohnraum und Lebensmittel mit ihnen teilten. E.F. Abich erinnert sich: „Alles ging seinen geordneten Gang. Man beschimpfte sie als Faschisten – na und? Trotzdem kam das Leben irgendwie zurecht. Die Menschen nahmen eine wohlwollende Haltung ein und halfen, wo sie nur konnten. Die Deutschen konnten sehr gut nähen, weben, stricken und spinnen – d.h. alles, was mit Handarbeiten zusammenhing, konnten sie ganz hervorragend. Sie halfen ihren Nachbarn. Und auch die Nachbarn verweigerten ihnen ihre Hilfe nicht, sondern tätigten häufig Tauschgeschäfte mit ihnen“. I.L. Gelinger, die in das Dorf Jerkalowo deportiert worden war, erinnert sich, wie sie die Schalen von Kartoffeln brieten, die ihnen das Nachbarmädchen aus wohlhabendem Hause durch die Ritzen der Einzäunung geschoben hatte, ohne daß deren Eltern es wußten: I.L. Gelinger [16].

Oft bildete die Sprache in der ersten Zeit eine Barriere in den Beziehungen untereinander. Der Schulunterricht an der Wolga wurde in Deutsch geführt. Und in den Familien, die überwiegend deutsch waren, sprach man mehr in der Muttersprache als auf Russisch: M.A. Gelrot, I.L. Gelinger, Potapowo. J.F. Abich weiß noch, daß sie sich im Hinblick auf die Sprache anpassen mußten: „Zuerst konnten sie kein Russisch, sondern sprachen untereinander nur Deutsch, was den Ortsbewohnern überhaupt nicht gefiel. Ab und an hörte man Sätze wie: „Was lacht ihr da?“ Und so gewöhnten sie sich mit der Zeit an die Sprache. Anfangs verstanden die Kinder in der Schule überhaupt nichts, weil der Unterricht in Russisch stattfand. Später, als ich schon etwas größer war, erzählte die Lehrerin mir: „Der Unterricht ist zuende, und ich sitze da und denke: was soll ich ihnen nur beibringen? Sie verstehen doch überhaupt kein Russisch. Ich gehe in den Korridor hinaus – und was sehe ich: die russischen Kinder stehen hier, die Deutschen da. Aber im Laufe der Zeit fanden sie alle zueinander!“
Und das ist auch nicht verwunderlich: denn bis zur Schule, die sich in der Siedlung Jelan befand, mußten sie 7 km laufen und den Fluß Kem überqueren“ [16].

S.P. Kyschtymow, geb. 1927,Einwohner der Ortschaft Kolmogorowo, arbeitete Anfang der 1940er Jahre als Leiter der Pflanzenzucht-Brigade; er merkt an, daß im Herbst 1942, zwei Kilometer vom Dorf entfernt, 60 deutsche Familien von einem Dampfer abgealden und in den Dörfern Ostjazkoje und Sawino, teilweise auch in Kolmogorowo, angesiedelt wurden. Sergej Petrowitsch kann sich noch an einige Familiennamen erinnern: Boris Aleksandrowitsch Fehrer; Andrej Iwanowitsch Schlunt; Iwan Fjodorowitsch und Frieda Blume; Lydia, Jordan und Kael (Karl?) Kretz; Emilia, David, Hans und Raja Leimann; A.J. Belz; die Familie Wagner. Er sagt, daß mit dem Erscheinen der Deportierten in ihrem Dorf auch das erste Fahrrad, Nähmaschinen der Marke „Singer“ sowie eine andere Technik des Korbflechtens dort auftauchte. Was soll man sagen – klug waren sie, und sie brachten uns eine andere Lebenskultur. Kluge Köpfe - ausgefeilte Mechanismen und Techniken, alles kam von den Deutschen. Und sie arbeiteten aufrichtig und gut. Der Vorsitzende unserer Kolchose, Ilja Nikolajewitsch Schadrin mochte es nicht, wenn man sich mit irgendwelchen Fragen an ihn wandte. Sie fangen an ihn um Schuhzeug zu bitten und er flucht. Ein heuimtückisches Männlein“. Schnell kamen Kontakte unter den Jugendlichen zustande. J.P. erinnert sich, wie sie gemeinsam in den Klub gingen, sich ineinander verliebten, gemischte Familien gründeten. Serej Petrowitschs bester Freund – B.A. Fehrer – der aus den Reihen der Deportierten stammte, lebt in Jenisejsk. Seine Ehefrau, die Ortsansässige T.I. Kolmogorowa, heiratete ihn ohne lange nachzudenken. A.AQ. Schlundt heiratete ebenfalls eine Russin [16].

2.4. Schlußfolgerungen zum Kapitel

Aufgrund einer Analyse der wirtschaftlichen Verhältnisse der deutschen Sonderumsiedler kann man bestätigen, daß die Anordnungen der Regierung und die Beschlüsse der örtlichen Machtorgane bezüglich einer gesicherten Versorgung der Deutschen mit Wohnraum, Vieh, Getreide u. ä. in der Praxis nicht umgesetzt wurden. Das verhinderten sowohl objektive als auch subjektive Gründe.

Als objektiver Grund läßt sich das Fehlen eine geeigneten Finanzierungshilfe aus dem Zentrum als Entschädigungszahlung für den zurückgelassenen Besitz, das abgegebene Vieh und Getreide sowie das Nichtvorhandensein freier Wohnräume anführen. Hinzu kamen die niedrigen Lebensbedingungen in den Kolchosen, die unbedeutende Anzahl Vieh (auch viele Ortsansässige besaßen nicht ein einziges Tier) und die niedrigen Ernteerträge (in einer für den Ackerbau ungünstigen Landeszone).

Wenn wir schon von subjektiven Gründen sprechen, dann müssen wir auch den Unwillen der örtlichen Leiter nennen, mit den Umsiedlern (die ausgerechnet auch noch Deutsche waren) das Letzte, was sie selber besaßen, zu teilen, indem sie es ihren eigenen Kolchosbauern entrissen; ferner muß zum Thema Subjektivität die willkürliche Deutung der allgemeinen Lebenslage der Deportierten und schließlich auch das entsprechende Verhalten ihnen gegenüber erwähnt werden. Und natürlich sollte man anmerken, daß unter den Bedingungen einer nicht ausgearbeiteten Rechtsgrundlage, die den tatsächlichen Status der Menschen überhaupt nicht exakt definierte, solche subjektiven Verhaltensweisen keineswegs schwierig anzuwenden waren. Es sieht so aus, als wenn dies sogar der Hauptgrund war, während alles andere lediglich sich daraus ergebende Konsequenzen waren (sowohl das Vieh, als auch die Wohnsituation und jenes Minimum, das nicht in maximaler Weise beachtet und eingehalten wurde). Daher mußten sich die Umsiedler einzig und allein auf ihre eigenen Kräfte und Möglichkeiten verlassen.

Auf diese Weise wurde von allen verkündeten Maßnahmen zur Aufnahme und Ansiedlung der Deportierten nur eine einzige in vollem Umfang realisiert – die Deutschen mußten sich nicht für lange Zeit unter freim Himmel aufhalten, wenngleich die Qualität des Wohnraums und die Entsprechung der sanitäten Normen unter Kriegsbedingungen nicht berücksichtigt wurden.

Die oben dargelegten Probleme, die während der Vorbereitungsphase und Durchführung der Deportationen noch nicht gelöst waren, verursachten in der Folgezeit eine jähe Verschlechterung der Lage der Deutschen während der Zeit ihtrer Sonderansiedlung.

Nicht einfach gestalteten sich die Beziehungen der deportierten Bevölkerung mit den Ortsansässigen: sie reichten von vorsichtiger Aufmerksamkeit und Feindseligkeit – bis hin zu Mitleid, Respekt und herzlicher Freundschaft.

Eine feste Rolle spielte in der ersten Zeit die Nationalität der Verschleppten, als ein Teil der ortsansässigen Bevölkerung das Wort „Deutscher“ mit dem Begriff „Faschist“ in Verbindung brachte, wodurch sich dann natürlich auch die Beziehungen zueinander erklärten. Eine häufige Barriere im Umgang miteinander stellte anfangs auch die Sprache dar. Aber das Menschliche in den Leuten siegte. Und es zeigten sich die ihnen innewohnenden Eigenschaften – Standhaftigkeit, Offenheit, religiöse Toleranz, das Streben nach Einvernehmen zwischen den einzelnen ethnischen Gruppen; denn die Sibirjaken hatten mit den Deutschen ein gemeinsames Schicksal – das Schicksal ihzres Landes.

Schlußbemerkung

Nachdem wir uns eingehend mit dem Forschungsthema beafßt hatten, wurde ersichtlich, daß es auch heute noch aktuell ist, denn im heutigen Rußland wächst das Interesse an der Geschichte und Kultur der verschiedenen Volksgruppen, die das Territorium dieses Landes bevölkern. Das ausführliche Studium der Geschichte der Deportationen gestattet es uns, nicht nur die realen Folgen dieser Erscheinung zu bewerten, sondern auch Prioritäten bei der Entwicklung einer nationalen Politik in unserem Gebiet und unserer Region zu setzen.

Beim Schreiben der Abschlußqualifikatonsarbeit gab es folgende Problemstellung: Aufdeckung von Besonderheiten bei der Deportation von Bürgern deutscher Nationalität auf dem Territorium des Jenisejsker Bezirks (1941-1945).

Im Verlauf der Forschungsarbeit wurde der zahlenmäßihe Bestand der deportierten Wolga-Deutschen auf dem Territorium des Jenisejsker Bezirks ermittelt. Der Rechtsstatus der deutschen Bevölkerung in West-Sibirien während der 1940er Jahre wurde im Zusammenhang mit den in der Konstitution verankerten Rechten und Freiheit betrachtet. Untersucht und analysiert wurden sowohl die formelle Seite, als auch die reale Lage der Verschleppten vorort, deren Rechtsstatus im tatsächlichen Leben mit dem von Personen verglichen wurden, die ein Verbrechen gegenüber dem sowjetischen Staat begangen hatten.

Die Situationen, die sich im Zusammenhang mit der Ankunft der deutschen Umsiedler am Aussiedlungsort ergaben, erwiesen sich als nicht identisch.

Einerseits erfüllten die NKWD-Organe, welche die Deportation durchführten, sowie die örtlichen Strukturen, welche die Aufnahme und Unterbringung der deutschen Sonderumsiedler sicherstellen sollten, die ihnen gestellte Aufgabe – jedenfalls fand die eigentliche Deportation in organsierter Weise, innerhalb kürzester Frist, mit minimalen Verlusten und Mangeln statt.

Andererseits fehlte eine komplexe Rechtsgrundlage, mit der die Rechte der Sonderumsiedler hätten gewahrt werden können, die im Ukas über die Umsiedlung eindeutig deklariert worden waren, so daß die Versprechungen der Regierung nicht erfüllt wurden. Dies verschärfte im weiteren Verlauf die ökonomischen und sozialen Probleme und nahm Einfluß auf eine jähe Verschlechterung der Situation der Deutschen während des Zeitraums ihrer Sonderansiedlung.

Aufgrund der Analyse der Arbeitsumstände der deutschen Sonderumsiedler läßt sich schließen, daß die Verwendung qualifizierter Berufsgruppen für den Arbeitseinsatz kaum zu Buche schlug; wären die Leute jedoch entsprechend ihrer Ausbildung und Berufserfahrung eingesetzt worden, dann hätten sie dem Staat sicherlich einen erheblich größeren Nutzen erwiesen, als bei unproduktiven, körperlichen Tätigkeiten, die dann auch für die große Masse der Sonderumsiedler für viele Jahre zur Arbeitsgrundlage wurden. Auf diese Weise gingen der Volkswirtschaft tausende hoch- und höchstqualifizierte Spezialisten verloren: Arbeiter, Beamte, Wissenschaftler, Ingenieure, Fachleute aus dem Bereich der Kultur. Das Arbeitspotential der Rußland-Deutschen, das eines der höchsten unter den sowjetischen Nationalitäten war, wurde in erheblichem Maße untergraben.

Für den Jenisejkser Bezirk besaß die Arbeit der Deportierten eine riesige Bedeutung, denn in den Jahren des Krieges stellte der Mangel an arbeitsfähigen Männern ein sehr großes Problem dar, und die verschleppten Staatsbürger beseitigten diesen Mangel zumindest teilweise, indem sie in der Landwirtschaft des Bezirks, bei der Holzbeschaffung oder der staatlichen Fischfang-Genossenschaft arbeiteten.

Trotz aller detaillierten Planung führte die praktisch gleichzeitige Ankunft einer derartigen Menschenmasse zu einer jähen Zuspitzung der wirtschaftlichen Situation vorort – katastrophal war die Lage, weil es nicht genügend separaten Wohnraum gab; auch war, bia auf wenige Ausnahmen, noch nicht die Frage hinsichtlich der Entschädigung für den in der alten Heimat zurückgelassenen Besitz, die Sicherstellung der allernotwendigsten Haushaltsgegenstände und der Versorgung mit Nahrungsmitteln geklärt.

Unter den Bedingungen eines totalitären Staates erwies sich die Sondersiedlung als mächtiger Mechanismus für die Einflußnahme auf das nationale Selbstbewußtsein der Volksgruppen, der dem Staat eine riesige Quelle an Arbeitsressourcen verschaffte, die Erschließung vor allem wenig bevölkerter Landstriche förderte und die Entscheidung über die nationale Frage weiter aufschob. Aber der Staat verlor viel mehr, als er tatsächlich erwarb: er erlitt demografische, intellektuelle und arbeitsmäßige Einbußen.

Ökonomische, politische und soziale Probleme im Staat können nicht die Isolation eines ganzen Ethnos im Rahmen des lokalen administrativen Systems, die drastische Beschneidung des Rechtsstatus, die Zerstörung des nationalen selbstbewußtseins, der Kultur sowie menschlicher Verluste rechtfertigen. Der Prozeß der politischen Rehabilitation der Deutschen zog sich über viele Jahre hin, und seine logische Vollendung – die Wiederherstellung der seinerzeit liquidierten autonomen Republik der Wolgadeutschen – ist bis zum heutigen Tage nicht erreicht worden. Die historische Erfahrung der sowjetischen Depotationen und der Sonderansiedlung zeigen, daß Recht und Freiheit der Bürger zu den Werten oberster Priorität innerhalb der Aktivitäten der Staatsmacht zählen müssen. Keine ökonomische und politische Zweckmäßigkeit lkann jedwede Repressionen gegen die eigene Bevölkerung rechtfertigen.

Zu den Schwierigkeiten, auf die wir während unserer Arbeit stießen, ist folgendes zu sagen:

- es fehlte die Möglichkeit, mit Materialien des Krasnojarsker Regionskomitees der WKP (B) sowie Materialien des Exekutivkomitees des Jenisejsker Bezirkisrats der Volksdeputierten zu arbeiten;
- es lagen unzureichende Informationen über einzelne Probleme vor.

Abschließend muß noch angemerkt werden, daß die Materialien dieser Abschluß-Qualifikationsarbeit für die Erarbeitung von Lehrstunden im Berecih der Heimatkunde, im Rahmen der gesellschaftlichen Aufklärungsarbeit der nationalen Kulturzentren, bei der Vorbereitung von Publikationen in den Masseninformationsmitteln und bei der Erstellung von Programmen zur Wiederherstellung und Wahrung ethnischer Kulturen genutzt werden können.

Anlagen

Anlage 1. Geographie der Ansiedlung von Deportierten auf dem Territorium des
Jenisejsker Bezirks

Anlage 2. Tabelle „ In den Bezirk Jarzewo deportierte deutsche Familien (1942-1943)“

¹ Nachname der Familie Anzahl der Pers. Arbeits-fähige Kinder ursprünglicher Wohnort Wohin gebracht, wann angekommen Wann in Jarzewo (Fomka, ÏPonomarjowo) eingetroffen
1 Familie Zitzer 10 6 4 Gebiet Saratow, Marxstadt 1941 – Ortschaft Jelowo, Bezirk Karatus;
1942 – Ortschaft Karatus
1943 – Dorf Fomka
2 Familie Kippel 5 2 3 Gebiet Saratow, Ortschaft Grimm 1941 – Nischnij Ingasch;
1942 – Krasnojarsk
1943 – Dorf Fomka
3 Familie Stumpf mit 4 Söhnen 6 2 4 Gebiet Saratow.,. Bezirk Kukkus, Orschaft Warenburg 1941 – Beresowsker Bezirk, Dorf Beresowka 1942 – Dorf Fomka
4 Eltern von L.A. Schmyg 5 2 3 Gebiet Saratow, Stadt Saratow 1941 – Station Kljukwennaja; 1942 – Dorf Kulisa Bezrik Turuchansk 1943 – Dorf Fomka
5 Eltern von A.F. Kihl (Kiel) 2 2 - Gebiet Saratow, Ortschaft Warenburg, Dorf Unterwalden 1941 – Dorf Komsa;
1942 – Dorf Fomka
1943 – Ortschaft Jarzewo
6 Familie Gorodetzkij 6 2 4 Gebiet Saratow, Bezirk Kamenka, Ortschaft Grimm 1941 – Nischnij Ingasch 1942 – Ponomarjowo
7 Familie Belmann 6 2 4 Gebiet Saratow, Stadt Engels 1941 – nicht bekannt 1942 – Dorf Nikulino
8 Familie Adolf 8 2 6 Gebiet Saratow Bezirk Kamenka, Ortschaft Bauer 1941 – Bezirk Kuragino, Dorf Norta 1942 – Dorf Kolmogorowo

Anlage 3 3. Tabelle «In die Ortschaft Nasimowo deportierte deutsche Familien (1942)».

¹ Nachname der Familie Anzahl der Pers. Arbeits-fähige Kinder ursprünglicher Wohnort 1. Ort der Sonderansiedlung, Jahr, Wann in Nasimowo eingetroffen
1 Familie Adolf, Mutter und drei Kinder 4 1 3 Gebiet Saratow, Ortschaft Warenburg, Kupolsker Bezirk 1941 Kasachstan–Abakan September 1942
2 Familie Baster, 2 Eltern, drei Kinder 5 2 3 Gebiet Saratow, Marxstadt 1941 Bezirk Karatus September 1942
3 Familie Jesin (Jessen?), 2 Eltern und drei Kinder 5 2 3 Gebiet Saratow, Klimensker Bezirk, Ortschaft Tripel 1941 Minusinsk September 1942
4 Familie Konradi, 2 Eltern und 3 Kinder 5 2 3 Gebiet Saratow, Marxstadt, Krasnoarmejsker Bezirk, Ortschaft Kamyschowka 1941 ñ.Òîìàðîâî Ñåíòÿáðü 1942
5 Familie Suchorebrik, 2 Eltern und 7 Kinder 9 2 7 Gebiet Saratow, Siedlung Bauer 1941 Ortschaft Tamarowo September 1942
6 Familie Scheffer, 2 Eltern und 3 Kinder 5 2 3 Gebiet Saratow, Katensker Bezirk, Ortschaft Grimm 1941 Nischnij Ingasch September 1942
7 Familie Stumpf, Mutter und 5 Kinder 6 1 5 Gebiet Saratow, Kupalsker Bezirk, Ortschaft Warenburg 1941 Minusinsk September 1942
8 Fmailie Gelrodt 4 1 3 Gebiet Saratow, Ortschaft Warenburg 1941 Ortschaft Taskino, Bezirk Karatus September 1942

Anlage 4. Ukas des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR «Über die Umsiedlung der in den Wolga-Gebieten wohnenden Deutschen» vom 28. August 1941

Anlage 5. Anordnung des Rates der Volkskommissare der UdSSR «Über die Rechtslage der Sonderumsiedler» vom 8. Januar 1945

Anlage 6. In Erledigung der Anordnung des Staatlichen Komitees der Verteidigung vom 7. Oktober 1942 ¹ 2383 «Über die zusätzliche Mobilisierung von Deutschen für die Volkswirtschaft der UdSSR».

Anlage 7. Diagramm «Arbeitsfähigkeit der eingetroffenen Bevölkerung».

Anlage 8. Diagramm «Der soziale Status der Deportierten»

Anlage 9. Tabelle «Bürger der Deutschen Wolga-Republik, die in die Ortschaft Ust-Kem deportiert wurden».

¹ Nachname, Vatersname, Vorname Geburts-jahr Geschlecht Wohnort Nationalität sozialer Status Wo / als was gearbeitet
1.1. Erdmann, P.K. 1885 m Stadt Saratow deutsch Arbeiter Bahnstation «Saratow-1» Waggon-ankuppler
1.2. Erdmann, A.W. 1884 w Stadt Saratow deutsch nicht verdienendes Familienmitglied
1.3. Erdmann, K.K. 1884 m Stadt Saratow deutsch nicht verdienendes Familienmitglied Invalide der 2. Gruppe
1.4. Reiter, M.N. 1891 w Stadt Saratow russisch Beamter Poliklinik, Arzt
1.5. Schnor, M.W. 1894 w Stadt Saratow deutsch Arbeiterin Taubstummen-schule, Wäscherin
1.6. Schnor, L.W. 1927 w Stadt Saratow deutsch Schüler der 5. Klasse
1.7. Wagner, N.P. 1900 w Stadt Saratow russisch Beamter Tabakhandel, Verkäufer
1.8. Wagner, L.D. 1928 w Stadt Saratow russisch Schüler der 6. Klasse
1.9. Keller, M.G. 1908 w Stadt Saratow russisch Schneiderin Näherei-Genossenschaft, Schneiderin
1.10. Keller, O.A. 1930 w Stadt Saratow   Schüler der 4. Klasse
1.11. Keller, N.A. 1932 w Stadt Saratow   Schüler der 2. Klasse
1.12. Keller, M.A. 1935 w Stadt Saratow    
1.13. Keller, N.A. 1938 w Stadt Saratow    
1.14. Nazarekus, B.F. 1903 w Stadt Saratow deutsch Beamtin, Bibliothekarin Gebietsbücherei, Bibliothekarin
1.15. Nazarekus, A.I. 1929 m Stadt Saratow deutsch Schüler der 4. Klasse
1.16. Geier, G.F. 1903 m Stadt Leningrad deutsch Technologe Leiter des «Krasnij Avtogen», Meister in der Mechaniker-werkstatt
1.17. Belmann, O.I. 1916 m Stadt Saratow deutsch Fahrer Altmetall-Genossenschaft, Fahrer
1.18. Ramich, A.A. 1903 m Stadt Saratow deutsch  
1.19. Ramich, L.A. 1902 w Stadt Saratow deutsch  
1.20. Seiwalt, I.I. 1904 m Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch Neister in der Motoren-Werkstatt Meister in der Motoren-Werkstatt
1.21. Seiwalt, A.N. 1905 w Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch Fahrer Fahrer
1.22. Seiwalt, I.I. 1924 w Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch Schülerin der 7. Klasse.
1.23. Seiwalt, E.I. 1927 w Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch Schülerin der 5. Klasse.
1.24. Seiwalt, A.I. 1930 w Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch Schülerin der 3. Klasse
1.25. Seiwalt, W.I. 1937 m Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch  
1.26. Neimann (Neumann?), J.J. 1907 m Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch Fahrer, Traktorist Maschinen- und Traktoren-Station in Kamenka, Fahrer
1.27. Neimann (Neumann?), M.I. 1908 w Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch Hausfrau
1.28. Neimann (Neumann?), M.J. 1938 w Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch  
1.29. Neimann (Neumann?), J.J. 1929 m Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch Schüler der 6. Klasse
1.30. Neimann (Neumann?), A.J. 1927 m Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch Schüler der 4. Klasse
1.31. Oberst, I.F. 1903 m Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch  
1.32. Oberst, J.I. 1907 w Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch  
1.33. Rout (Roth?), I.J. 1895 m Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch  
1.34. Pout (Roth?), P.M. 1894 w Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch.  
1.35. Rout (Roth?), I.I.. 1924 m Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch  
1.36. Rout (Roth?) 1930 w Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch  
1.37. Rout (Roth?) 1933 w Bezirk Kamenka, Ortschaft Kamenka deutsch  
Insgesamt: 14 Familien (38 Pers.)

Anlage 10. Tabelle «Vermögensverhältnisse und wirtschaftliche Nutzung der Deportierten in der Ortschaft Jarzewo».

¹ Nachname der Familie Beschreibung der Wirtschaft Vor der Umsiedlung als was gearbeitet Gearbeitet in Jarzewo – wo und als was
1 Familie Adolf kleine Hofwirtschaft: 3 Kühe, Schweine, Hühner Kolchosarbeiter Arbeiter in der Sowchose
2 Familie Belmann Arbeiter in der Sowchose
3 Familie Zitzer Familie lebte in einem großen zweigeschossigen Haus, besaß eine große Hofwirtschaft Arbeiter im Straßen- und Wegebau in der Werkstatt, in der Kolchose, in Fischfang-Brigaden, Arbeiter in der Hilfswirtschaft der Sowchose
4 Familie Kippel Familie war nicht reich Kolchosarbeiter arbeiteten im Wald, zerkleinerten Holz mit einer manuellen Säge
5 Familie Gorodetzki 3 Pferde, 3 Kühe, Haushaltsgegenstände, -Inventar Arbeiter in der Schmiede der Traktoren-fabrik; Hausfrau; Pädagoge Fischfabrik, Fischfang, Genossenschaft, Sowchose, nach der Rehabilitierung – Deutschlehrer und Buchhalter
6 Eltern von A.F. Kiel (Kihl?) (Mutter und Vater) Arbeiter in der Mechanikerwerkstatt Sowchosenarbeiter
7 Eltern von L.W. Schmyga lebten in einem kleinen Ziegelstein-Haus, besaßen eine Hofwirtschaft und einen Garten Vater L.A. war ein sehr kluger Mann, der 12 Spachen konnte ab dem 14. Lebensjahr in der Sowchose
8 FamilieStumpf

Anlage 11. Tabelle «Vermögensverhältnisse und wirtschaftliche Nutzung der Deportierten in der Ortschaft Nasimowo».

¹ Nachname der Familie Beschreibung der Wirtschaft Als was und wo vor der Umsiedlung gearbeitet Als was und wo während der Zeit der Sonderumsiedlung gearbeitet
1 Familie Adolf in der Kolchose
2 Familie Baster Binnenschiffer
3 Familie Jesin (Jessen?) gesunde Hofwirtschaft in der Kolchose in der Kolchose
4 Familie Konradi Schiffskapitän; Hausfrau Melkerin
5 Familie Suchorebrik Kolchosarbeiter Melkerin, Kolchos- und Sowchosen-Arbeiter
6 Familie Scheffer Kolchos- und Sowchos-Arbeiter
7 Famiilie Stumpf 2 Ziegelsteinhäuser Kolchosarbeiterin, Schmied Kolchosarbeiter

Anlage 12.
Das Haus von G.G. Stumpf, in dem er in der Ortschaft Warenburg vor der Deportation wohnte.

Anlage 13.
Abschrift aus dem Wirtschaftsbuch der wichtigsten Produktionsziffern der Kolchoswirtschaften im Prutowsker Dorf-Sowjet (1941-1945).

Blatt 1 Blatt 2 Blatt 3 Blatt 4

Anlage 14.
Stickerei von J.G. Adolf, die sie mit einigen wenigen Sachen in die Ortschaft Nasimowo mitbrachte.

Anlage 15.
Fotos von Bürgern aus der Deutschen Wolgarepublik, die in den Jenisejsker Bezirk deportiert wurden.


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