Gustav Alexandrowitsch Scharton wurde am 18. Dezember 1942 geboren. Gustav Alexandrowitschs Eltern lebten im Gebiet Saporoschje, in der Ortschaft Darmstadt; heute trägt das Dorf den Namen Romaschki. Die Mutter, Klara Gustavowna Scharton (1911-1998) war Hausfrau, der Vater, Alexander Andrejewitsch Scharton (er starb 1988) war Rechnungsführer in der Kolchose „Darmstadt“. Die beiden hatten drei Kinder – Rosa, Jelena (Helene) und Gustav.
Die Ortschaft Darmstadt wurde von deutschen Lutheranern gegründet. Es gab etwa 100 Höfe, eine große Schule und eine Ziegelei. Außerdem gab es dort vor dem Krieg eine gesunde Kolchose, die den gleichen Namen wie das Dorf trug – „Darmstadt“. Die Menschen sprachen Deutsch. Die Familie Scharton wohnte in einem großen Haus aus ungebrannten Lehmziegeln. Sie besaßen einen Garten und einen Gemüsegarten sowie Vieh – Pferde, eine Kuh und Geflügel.
1941 geriet Darmstadt unter Okkupation. Im März 1944 wurde die Familie Scharton zusammenmit anderen Dorfbewohnern nach Polen abtransportiert, anschließend kamen sie nach Deutschland, wo sie bei einem Bauern in Benkerdorf (Benkendorf) arbeiten mussten. Der Bauer warnte sie, dass sie nicht von dort wegfahren sollten, sonst würde man sie nach Sibirien schicken. Aber kaum hatte man ihnen erlaubt nach Hause zu fahren, packten alle eilig ihre Sachen zusammen und machten sich auf den Weg.
Aber anstatt sie ins heimatliche Saporoschje zu bringen, transportierte man sie nach Sibirien. Am 26. September wurden sie in der Stadt Krasnojarsk ausgeladen. Anschließend kamen sie auf ein Schiff, mit dem sie am 29. September in Jenisejsk eintrafen. Die allererste Zeit lebten sie in einer Kirche, dann siedelten sie in das Klubgebäude in der Mitschurin-Straße um; später gab man ihnen eine kleine Wohnung. Die Eltern fingen an zu arbeiten. Mutter und Vater gingen in die Holzfabrik. Mama war von 1945-1953 als ungelernte Arbeiterin tätig, danach verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt in dem sie von Haus zu Haus ging und alle anfallenden Arbeiten verrichtete. Bei dem einen grub sie den Gemüsegarten um, woanders pflanzte sie Kartoffeln oder weißte die Hütte. Dafür bekam sie Lebensmittel ausgehändigt. Der Vater arbeitete als Fuhrmann – er transportierte Schuhleisten, Bretter, Nutzholz und anderes.
Sie überlebten so gut es ging, aßen Schälabfälle, Brennnesseln, Kuhpastinaken … Aber alle haben überlebt, und es gelang, alle Kinder auf die eigenen Füße zu stellen. Über all das Durchgemachte haben die Eltern nie gesprochen und immer versucht sich auch nicht daran zu erinnern, sie hatten Angst.
O. Kruschinskaja. Unfreiwillige Sibirjaken