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Paulina Christianowna Bronnikowa

Paulina Christianowna Bronnikowa (Mädchenname Wunder) wurde am 12. Juni 1925 in Gnadenfeld, einer sehr gepflegten, sauberen und schönen Ortschaft, geboren.

Vater Christian Christianowitsch und Mutter Jekaterina Jakowlewna Freiling arbeiteten in der Kolchose. In der Familie gab es 4 Kinder – Andrej, Jakob, Maria und Paulina. „Während des Hungerjahres 1933 haben wir sogar Gras gegessen ... es gab kein einziges Krümelchen Essbares im Haus, und die einzige Kuh trieben wir 30 km weit, um dort mit ihrer Hilfe den Boden umzupflügen ... Während der Kollektivisierung hat man der Familie mehrfach das Haus weggenommen, und einmal wurde auch der uralte Familien-Diwan beschlagnahmt – mehrere Male zahlte Christian Christianowitsch Geld dafür; danach bekam er ihn wieder zurück, und am Abend konfiszierten sie ihn erneut“. Das Haus war solide gebaut – aus Balken, die jahrhundertelang halten sollten, und es bestand aus zwei Zimmern – einem Vorraum und einer Küche. Alles war weiß getüncht und gestrichen, und zeitweise kam es einem so vor, als ob das Haus lächeln würde ... Aber lange war es der Familie Wunder nicht vergönnt in diesem Haus zu wohnen: wieder hielt man sie für Kulaken, für reiche Großbauern, und nachdem man ihnen erneut alles weggenommen hatte, händigte man dem Familienoberhaupt Lehm für Ziegelsteine und 250 Rubel für den Besitz aus... Aber auch mit dieser schlimmen Situation wurden sie fertig; sie bauten ein neues Haus und lebten sich dort ein ... Der Vater fing an in der Kolchose als Traktorist zu arbeiten. „Wenn du arbeitest, dann bekommst du 3 Kilogramm Gurken, .... wenn du nicht arbeitest, dann gibt es nichts...“. Und so lebten sie in ihrem heimatlichen Gnadenfeld, und es schien, als ob das Schlimmste bereits vorüber war – sie hatten die Entkulakisierung durchgestanden, die Hungerperiode an der Wolga überlebt und sich nun in ihrem Haus eingelebt .... Aber da kam neues Elend heran – es begann das Jahr 1941. Im August wurden alle Bewohner Gnadenfelds gezwungen, ihre Häuser zu verlassen; man brachte sie ins ferne Sibirien, von dem sie nichts wussten, welches sie nicht kannten – und der russischen Sprache waren sie auch nicht mächtig....

Paulina Christianowna erinnert sich, wie Soldaten angefahren kamen, das Dorf umstellten, wie ihre Familie sich in aller Eile bereit machte, wie es ihnen gelang, noch ein wenig Kleidung, Essen, einen Tontopf und einen Sack Zwieback mitzunehmen. Zurück blieben die wunderschönen deutschen Möbel, das ganze Vieh – Ziegen, eine Kuh, Schweine, Schafe ... Das Vieh wurde an einer Stelle zusammengetrieben – die Tiere brüllten herzzerreißend ...
„Vater und ich machten unseren letzten Rundgang durchs Haus, dann schlossen wir die Tür hinter uns...“. Die Familie Wunder wurde auf einen Leiterwagen gesetzt und zur 15 km entfernten Bahnstation gebracht; von dort aus wurden sie nach Krasnojarsk verfrachtet, wo dann alle auf einem Lastkahn bis zum Dorf Galanino befördert wurden. Die Bedingungen unterwegs waren unmenschlich – man gab ihnen nichts zu essen, nirgends konnte man eine Toilette benutzen. Für die Männer war es etwas einfacher, aber die Frauen und Mädchen schämten sich, und so geduldeten sie sich, bis sie Galanino erreicht hatten. Nachdem sie dort eingetroffen waren, begann man mit ihrer Verteilung und entschied darüber, wer wohin kommen sollte. „... Sie brachten uns in das Dorf Nowotroizkoje am Ende der Welt; einen noch entfernteren Ort gab es nicht ... und auch nichts, wo man hätte wohnen können; wir gingen von Hof zu Hof, aber niemand wollte uns hereinlassen, alle hatten Angst vor uns, und dann nahmen uns schließlich ebensolche Deutschen wie wir es waren auf ... nur für eine Nacht ... und sie flüsterten uns zu: setzt euch ganz leise hin, sonst wird der Hausherr wach und bringt euch um ... so saßen wir die ganze Nacht wie kleine Mäuse aneinander gelehnt da. Und ganz früh am Morgen gaben sie uns zu essen, und danach gingen wir fort ...“. Ganze zwölf Kilometer gingen sie praktisch barfuß durch die sumpfige Gegend und kamen schließlich in die Ortschaft Tomilowka, wo sie sich dann auch niederließen. Besonders verblüfft waren sie darüber, dass man dort auf dem Lande die Bäder einheizte, ohne dass es einen Rauchabzug gab. „... im Dorf Tomilowka waren alle Badehäuser vollkommen verräuchert ... Wir gingen hinein, und drinnen war alles schwarz, der Rauch quoll zur Tür hinaus ... aber irgendwie haben wir uns doch waschen können ... Am nächsten Tag holte der Vater Lehm und Ziegelsteine und begann einen Ofen mit Ofenrohr zu bauen... Und die Hausherren waren sehr zufrieden, dass sie nun auch auf saubere Weise ihre Bäder einheizen konnten, ... sonst hätten sie noch lange weiter wie die Wilden gelebt...“

Christian Christianowitsch wurde in die Trudarmee nach Reschoty mobilisiert – zur Holzfällerei. Als sie dort ankamen, gab es nicht einmal Baracken, so dass sie auf den Zweigen von Laubbäumen schlafen mussten; später bauten sie dann Baracken. Katharina Jakowlewna ging, um ihren Mann zu sehen, ganz zu Fuß nach Reschoty, denn nicht einmal das Briefeschreiben war erlaubt... „Als der Vater gleich nach dem Krieg aus der Trudarmee zurückkehrte, erhielt er die Erlaubnis, in die Heimat zurückzukehren und sein Haus zu sehen. Er kommt dort an und sieht, dass bereits andere Menschen darin wohnen: Sie sagen zu ihm: „Wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, dann sehen Sie zu, dass Sie hier wegkommen ...“.

Bald darauf wurde die ganze Familie in die Ortschaft Momotowo im Kasatschinsker Bezirk verlegt; hier begann Christian Christianowitsch sein eigenes Haus zu bauen, während die Brüder Unterkunft in einer Baracke fanden. Paulina Christianowna bekam Arbeit in der Kasatschinsker Holzverarbeitung; dort musste sie Holz auf dem Fluss flößen. „Das Holz wurde abtransportiert; pro Tag bekamen wir ein Stückchen Brot und ein halbes Glas Getreide: teil dir das ein wie du willst ...“. 1946 heiratete Paulina Christianowna Grigorij Aleksejewitsch Bronnikow. Paulina Christianowna erinnert sich, dass sie sich für die Hochzeit ein Kopftuch häkelte. Ihr Mann war als Flussschiffer unterwegs, und sie ging mit ihm zum Holzflößen. Einmal waren sie hinter der Flößer-Karawane zurückgeblieben; die Brigade war hungrig, und am anderen Ufer des Jenisej begegnete ihnen eine deutsche Fischfangbrigade, die sie darum baten, ihnen wenigstens eine kleine Menge Fisch zu verkaufen, doch die Deutschen fürchteten sich. Aber da erkannte eine Frau, dass Paulina Christianowna Deutsche war und verkaufte ihnen Fisch.

Bald darauf verlegte man Paulina Christianownas Mann zum Arbeiten nach Jenisejsk, wo er ein Quartier bei den Pachotnikows bekam. Aber in der Kommandantur erlaubte man Paulina Christianowna nicht, ebenfalls nach Jenisejsk umzuziehen. Sie trug damals schon ihren ältesten Sohn Alexander (geb. 1946) auf dem Arm und lebte mit ihren Eltern zusammen. Einmal beschloss Paulina Christianowna zu ihrem Mann nach Jenisejsk zu fahren; sie packte ein Bündelchen zusammen, nahm ihren Sohn auf den Arm und ging nach Jenisejsk. Sie erreichte die Vermieterin, aber ihr Mann war beim Holzflößen; mit Mühe bekam sie den Schlüssel für das Zimmer ihres Mannes und wohnte dort 3 Tage ganz allein; dabei hatte sie nicht einmal ein Stückchen Brot zu essen ...

Zweieinhalb Jahre lang lebte sie mit ihrem Mann in dieser Unterkunft, dann beschlossen sie, ihr eigenes Haus zu errichten. Sie zahlten 300 Rubel für das Grundstück und bauten darauf ein solides Haus und gruben einen Brunnen. Sie hatten doch immer eine große Hauswirtschaft gehabt. Paulina Christianowna begann in der Studenten-Kantine zu arbeiten. Sie und ihr Mann haben insgesamt 3 Kinder: Olga (1949), Alexander (1946), Viktor (1954).

O. Kruschinskaja. Unfreiwillige Sibirjaken


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