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Wladimir Worobjew. Späte Rehabilitation

Im Gefängnis

Bei der Ankunft in Krasnoturansk steckten sie mich vorübergehend in die Untersuchungs-zelle, in der sich bereits drei Häftlinge befanden. Insgesamt blieb ich dort eine Nacht. Am folgenden Tag schickte man mich unter der Bewachung eines MGB-Hauptmanns und eines Sergeanten auf einem LKW nach Abakan.

Dort steckten sie mich in irgendein Gefängnis in eine Zelle mit zerbrochenem Fenster-Glas und einem derartigen Wanzenbefall, daß ich beinahe die ganze Nacht nicht schlafen konnte.

Am nächsten Tag fuhren wir mit dem Zug nach Krasnojarsk. Ich erinnere mich daran, daß ich fast die ganze Zeit über mit dem Hauptmann Schach spielte, und obwohl ich nicht schlecht spielte, verlor ich so gut wie immer. War mir vielleicht nach Schachspielen zumute? Meine Zukunft war unbestimmt, aber ich rechnete trotzdem damit, daß sich alles mit mir aufklären und ich entlassen würde.

Niemals hätte ich geglaubt, daß es genau im Zentrum von Krasnojarsk ein Gefängnis gab. Unweit des Regionsexekutiv-Komitees, gleich neben dem Gorkij-Park, im MGB-Gebäude, befand sich das innere Gefängnis. Eiserne Tore öffneten sich, ich wurde durchsucht, man nahm mir den Gürtel und die Schnürsenkel weg; sie schnitten mir die Knöpfe ab und brachten mich in Zelle 1 unter, deren Wände mit roter Farbe angestrichen waren. „Na ja, - dachte ich, - wenn sie mich schlagen, dann werden nicht einmal Blutspuren an diesen Wänden zu sehen sein“. Man brachte das Mittagessen, Kohlsuppe, vor lauter Aufregung wollte ich nicht essen, aber dann fiel mir ein, daß du nicht sofort an Hunger stirbst. Mir schien es so, als ob sie diese Art der Verpflegung dreimal am Tag ausgaben, aber es stellte sich heraus, daß es morgens Tee und abends Grütze gab.

Am nächsten Tag wurde ich in eine andere Zelle verlegt, ein Stockwerk höher. In der Zelle saß bereits jemand – Jakow Iwanowitsch Kirdyschkin, ein fröhlicher, gutmütiger Mensch, der sogleich an meinem Kummer Anteil nahm und anfing , mich über alles auszufragen. Er erzählte, daß er bereits wegen Alltagsvergehen im Lager inhaftiert gewesen war; er war so eine Art Kulturorganisator. Gierig nahm ich seine Erzählungen in mich auf. Ich war damals ganze 21 Jahre alt, hette noch keinerlei Lebenserfahrung, und er öfnnete vor mir die Geheimnisse des Lebens, die ich niemals für möglich gehalten hatte – den Lageralltag. Mehrmals „riefen“ sie ihn in der Zeit, wo ich da war, zu Verhören. Wie ich später begriff, war er eine ganz gewöhnliche „Glucke“, ein Spion, der extra auf mich angesetzt worden war.

Sie begannen auch mich zu Verhören zu rufen, etwa eine Woche lang und stets nachts. Tagsüber ließen sie mich in der Zelle nicht schlafen, ein Aufseher ging auf und ab, und wenn ich mich auch nur für eine Minute hinsetzte und einschlummerte, weckte er mich sofort und drohte mit Karzer. Unsere Zelle hatte Außenwände und war nur von einer Seite beheizt, zwei weitere Wände führten in den Hof. Bei den anderen Zellen zeigte nur eine Wand zum Hof, und dort war es wärmer. Bei uns aber war es ständig sehr kalt. Es kam der November des Jahres 1949. Schon beim ersten Verhör hatte man mir gesagt, daß ich mich mit antisowjetischen Aktivitäten befaßte, und verlangt, daß ich es alles erzählte. Mich wunderte das sehr, weil ich niemals gegen die Sowjetmacht oder gegen irgendeinen ihrer Parteiführer feindliche Dinge ausgesprochen hatte. Damals zwangen sie mich, alles über mein Privatleben zu erzählen: wo ich gewesen war, wo ich gelernt hatte, mit wem er zusammengetroffen war, mit wem er sich unterhalten hatte und welcher Art diese Gespräche gewesen waren. Der Ermittlungsführer Stepanow hatte bereits eine Akte über mich angelegt, aus der ich erfuhr, daß man schon lange hinter mir her war. Aber konkrete Fakten irgendwelcher von mir gemachten feindlichen Aussagen lagen ihnen nicht vor. Aber zu jener Zeit herrschte bei ihnen offensichtlich das Gesetz: „Gebt mir einen Menschen, ich werde dann schon eine Akte über ihn fabrizieren“. Hinzugezogen wurden Briefe von meinen Freunden, die während der Haussuchung bei mir beschlagnahmt worden waren. Sie hatten an unserem Wunschtraum Anstoß genommen, in die Taiga abzuhauen, zur „Zedern-Datscha“. Aha, sie hatten also den Wunsch, zu den Partisanen überzulaufen, Waffen zu sammeln und eine Organisation zu gründen!

Damals arbeitete mit Major Stepanow auch noch ein Hauptmann des MGB, ich erinnere mich nicht an seinen Nachnamen. Er wurde zum Kinderheim abgerufen, führte dort Verhöre sowohl mit Laschkewitsch als auch mit den Zöglingen durch. Zu der Zeit bearbeitete Laschkewitsch die Kinderheimbewohner schon so, wie es ihm paßte, sagte aus, daß ich ein Spion war, daß ich die Kommunisten töten, die Saat in Brand stecken, das Kolchos-Vieh vergiften wollte und daß sie bei mir während der Haussuchung amerikanische Dollarnoten gefunden hätten, usw. Was gingen da nicht alles für Gerüchte im Dorf herum!

Die Kinder glaubten ihm offensichtlich, und sagten genau das aus, was er ihnen vorgesagt hatte. Laschkewitsch schüchterte sie damit ein, daß die Disziplinargruppe angeblich als antisowjetische Organisation gegründet worden war. Alle Mitglieder der Gruppe sagten gegen mich aus, und damit war die Sache für sie beendet. Mitja Medwedew verzieh Laschkewitsch nicht, daß er so oft bei Versammlungen aufgetreten war und auch im Alltag ständig etwas zu sagen hatte. Mitja wurde ebenfalls verhaftet.

Nach einer Woche nächtlicher Verhöre erklärte ich den Ermittlungsrichter, daß er aus irgendeinem Grunde faschistische Methoden anwandte, mich mit diesen Verhören und Schlafentzug peinigen wollte. Ich weiß nicht warum, aber danach hörte er auf, mich nachts zu sich zu rufen. Kirdyschkin überredete mich die ganze Zeit, alles zu erzählen, und meinte, daß sie mich freilassen würden, wenn ich nur alles offen und ehrlich erzählte. Aber ich wußte nicht, was ich erzählten sollte, ich hatte doch keinerlei Schuldgefühle. Nachdem man anscheinend zu dem Schluß gekommen war, daß ich nichts weiter erzählen würde, entfernte man Kridyschkin aus der Zelle und ich blieb allein. Wahrscheinlich wollten sie nun versuchen durch das Alleinssein Einfluß auf mich zu nehmen.

Der Untersuchungsrichter und Hauptmann fuhr umher und verhörte Leute, die mich gekannt hatten. Der Direktor der Dorf-MTC (Maschinen-und-Traktoren-Station; Anm. d. Übers.), Sawinino, sagte aus, daß mein Freund Timofej Oschtschepkow gedroht hatte ihn umzubringen, als er ihn wegen Nichterscheinens zur Reparatur des Mähdreschers vor Gericht verklagte, und Timofej zur Zwangsarbeit verurteilt worden war. Oschtschepkowa wurde auch verhaftet. In den Briefen, die mir Iwan Krasnow geschrieben hatte, fanden sie ebenfalls „Kriminelles“, zum Beispiel: er schrieb mir von Puschkin die Worte – „Genosse, wenn der Glaube aufkeimt, dann bedeutet er den Stern bezaubernden Glücks ...“. Der Untersuchungsführer sagte: „Aha! Auf den Trümmern der Selbstverwaltung schreiben sie unsere Namen ...“, das heißt bei uns regiert die Selbstherrschaft?“ Sie führten eine Haussuchung bei Iwan durch und fanden ein Tagebuch, in dem er offen seine kritischen Bemerkungen über die Umwelt ausgedrückt hatte. Zuguterletzt verhafteten sie auch Mitja Medwedew. Er hatte offenbar gedacht, daß man ihn als Zeugen brachte und bestätigte alles, was schon Laschkewitsch über mich zusammengeredet hatte. Ebenso verhafteten sie Oschtschepkows Freundin in Tschernogorsk, aber ich weiß nicht mehr, aus welchem Anlaß.

Etwa einen Monat hielten sie mich allein in der Zelle. Es war sehr kalt, ich hatte Hunger, es war keine Bewegung im Leben, und ich beschloß gegen all das anzukämpfen. Zuerst hörte ich mit dem Rauchen auf, und später, im Lager, rauchte ich auch lange Zeit nicht. Jeden Tag ließ ich ein paar Bröckchen von meiner Ration übrig, und so lagen nach und nach auf dem Hocker drei Portionen. Psychologisch war das genau berechnet. Ich hatte das Gefühl, daß ich Brot besaß, daß ich es zu einer beliebigen Zeit essen konnte; dadurch ließ das Hungergefühl ein wenig nach. Mehrmals am Tag übergoß ich mich mit kaltem Wasser und gewöhnte mich so daran, daß mir das Wasser warm erschien und ich es extra ans Fenster stellte, damit es eiskalt wurde. Zuguterletzt warmir sogar ohne Mantel nicht mehr kalt. Tagelang lief ich in der Zelle hin und her, sieben Schritte hin, sieben Schritte zurück, und legte dabei nicht weniger als 10 km zurück. Ständig beschäftigte ich mit gymnastischen Übungen, so daß mich der Aufseher einmal fragte, wofür ich mich eigentlich vorbereitete: für die Olympiade oder die Flucht?

Einmal pro Woche wurden aus der Gefängnisbibliothek Bücher gebracht. Ich versuchte ein paar mehr zu nehmen, aber viele gaben sie einem nicht. Einmal wählte ich einen Puschkin-Band aus und lernte daraus alle Gedichte auswendig. Ich verfaßte auch einige Verse selbst.

Vor lauter Hunger und Schlafmangel entstanden musikalische Halluzinationen. Es spielte ein komplettes Orchester, und in Gedanken schrieb ich ganze Symphonien.

Auch tauchten verschiedene abstrakte Ideen auf. Einmal kam es mir so vor, als ob ich die Grundlagen der Physik begriffen hatte. Ich träumte von einem riesigen Würfel, aus dem man eine Kugel von solcher Größe herausziehen konnte, daß sie vom Umfang her dem im Würfel verbliebenen Raum entsprach. Es ergab sich, daß dieses Kügelchen ein Elektron war und der Würfel mit der leeren Innensphäre ein Positron. Dann konnte die Verbindung dieses Paares zwei Geschlechter bedeuten. Wenn das Kügelchen des Elektrons den leeren Raum des Würfels bewohnte, dann ergab sich daraus ein Neutron. Aber für diese Vereinigung brauchte man beim Aufeinanderprallen eine geringe Geschwindigkeit. Bei hoher Geschwindigkeit spaltete sich das Kügelchen in zwei Sphärenhälften und der Würfel ebenfalls in zwei Hälften, dabei kam eine Vereinigung der inneren Seiten des Kügelchens mit den äußeren Seiten des Würfels zustande, und diese so entstandenen Teilchen flogen senkrecht im Verhältnis und zur Richtung des Aufpralls auseinander. Es waren dies zwei Licht-Photonen. Mich interessierte, wie groß wohl der Durchmesser dieses Kügelchens war; würde es größer sein, als die Seiten des Würfels oder kleiner, oder war es gleich groß? Man mußte die Aufgabe anhand einer Formel lösen, aber ich hatte weder einen Federhalter noch einen Bleistift. Da fing ich an Streichhölzer abzubrennen und mit dem zurückbleibenden verkohlten Teil die Blätter von Papirossi-Papier zu beschreiben, die man uns zum Rauchen gegeben hatte. So fand ich heraus, daß der Durchmesser, daß der Durchmesser der Kugel kleiner war, als die Seiten des Würfels.

Außerdem versetzte mich eine Analogie aus den Gebieten der Musik, der Geometrie und der Chemie in Erstaunen. Ein Moll-Akkord setzt sich aus Noten zusammen, die in der Reihenfolge ihrer Länge angeordnet sind, wie 3-4-5, aber die Dur-Akkorde wie 5-4-3; wenn man sie geometrisch erschließt, dann ergeben sich zwei symmetrische, ägyptische Dreiecke. Aus der Biochemie wußte ich, daß es in den Lebewesen Isomeren-Moleküle gibt. Und da stellte ich mir vor, daß die Musik bei den Dur-Akkorden irgendwie belebend wirkt, denn es gibt eine chemische Reaktion mit zusätzlicher Energie, aber im Falle der Moll-Akkorde ist es so, als wäre die Energie aus dem Organismus entfernt worden.

So war also die Einzelhaft vom schöpferischen Standpunkt gesehen ganz wohltuend.

In dieser Zeit wurden Verhöre und Gegenüberstellungen durchgeführt. Anfangs war mir die Logik der Ermittlungsführer unverständlich, als sie nämlich beliebige Fakten unseres Lebens, Briefwechsel, die an den Haaren herbeigezogen worden waren, im antisowjetischen Sinne interpretierten. Aber später wurde uns vieles klar. Einmal, wohl schon gegen Ende des Untersuchungsverfahrens, als die Anklagepunkte vorgelegt wurden, war eine Staatsanwältin anwesend. Und sie sagte ganz offen, daß im Grunde genommen gar keine seriösen Strafakten existierten, daß es aber in unserem sowjetisches Ermittlungsverfahren keine Irrtümer gäbe und man uns außerdem niemals freilassen würde; es wäre wohl so, daß wir uns möglicherweise in eine geheime Organisation einschleichen könnten, daß es schwierig sein würde uns zu erwischen, oder daß wir Agenten in einer ausländischen Spionageorganisation werden könnten. Da begriffen wir, daß uns Haftstrafen drohten.

Im Laufe des Ermittlungsverfahrens waren all unsere „Verbindungen“ klargestellt worden.

Fast all unsere Kameraden wurden von den Organen der Staatssicherheit verhört, aber da sich keine Briefe oder ergänzende Beweismaterialien mehr fanden, wurde niemand verhaftet. Sogar Professor Wologdin wurde von der Sache berührt. Irgendwann gegen Ende des Untersuchungsverfahrens riefen sie mich zum Verhör und legten mir Zeugenaussagen des „verhafteten Professors Wologdin“ vor, die inzwischen auf gutem Papier gedruckt waren und in denen er angeblich seine antisowjetischen Aktivitäten zugab. Das versetzte mich in große Empörung. Ich sagte, daß ich gegenüber Professor Wologdin ein Gefühl tiefer Dankbarkeit hegte, hatte er mir doch stets über die Parteiorgane bei meinem Studium und überhaupt im Leben geholfen, wenngleich ich ihm nur ein einziges Mal während der Arbeit in der geologischen Gruppe begegnet war. Am nächsten Tag riefen sie mich zur Vernehmung, aber anstatt eines Aufsehers begleiteten mich zwei; wir gingen die Treppe hinunter, überquerten den Innenhof und stiegen über eine Wendeltreppe wieder hinauf. Ich wußte, daß sie mich zum Leiter des Ministeriums für Staatssicherheit der Region Krasnojarsk brachten, offenbar ein General. Sogleich fand mit mir eine zweistündige Unterhaltung in Bezug auf Professor Wologdin statt. Ich erzählte, wie ich ihn kennengelernt hatte, daß seine Anteilnahme an mir damit zusammenhing, daß er mich für einen begabten Burschen gehalten und mir materiell geholfen hatte, damit ich weiterlernen konnte, daß ich allein meine Studium nicht hätte fortsetzen können, daß ich niemals irgendwelche antisowjetischen Aufträge von ihm erhalten hätte und, falls sie ihn antisowjetischer Aktivitäten beschuldigten, ich überhaupt nichts damit zu tun hätte. Ein Jahr später erfuhr ich, wohl durchs Radio, daß er immer noch arbeitete – sein Name wurde als einer der Teilnehmer an irgendeiner Konferenz in Moskau erwähnt. Also waren seine „Zeugenaussagen“ aller Wahrscheinlichkeit nach „gefälscht“.

Im Februar wurden wir von einem auswärtigen Gericht des Nowosibirsker Militärtribunals verurteilt. Während der Sitzung erschien ein Advokat, der von Krasnows Vater angeheuert worden war, aber seine „Verteidigung“ äußerte sich in vorher abgestimmten Beschuldigungen. Er ließ sich davon derart mitreißen, daß die Staatsanwältin erklärte, man habe ihn zur Verteidigung Krasnows vorgeladen und nicht um Worobiew zu beschuldigen und daß die Anklage Sache des Staatsanwaltes sei. Mit Angriffen gegen mich trat Mitja Medwedew in Erscheinung, nannte mich einen „faschistischen Lump“, und sagte, daß ich ihn auf dem verbrecherischen Weg mitgerissen hätte, daß er bereuen würde, womit er offenbar glaubte, sich irgendwie aus der Sache heraushalten zu können. Ungeachtet seiner „patriotischen“ Rede wurde auch Medwedew nach §58, Absatz 8, 10 und 11 zu 25 Jahren Besserungsarbeitskolonie verurteilt. Und nach eben diesen Paragraphen und zu dem gleichen Strafmaß verurteilten sie auch Oschtschepkow und mich. Krasnow und Petschenkin bekamen 10 Jahre nach §58, Absatz 10 und 11.

Nach der Verurteilung wurden wir in einer Zelle gesammelt und am folgenden Tag ins allgemeine Gefängnis verbracht. In diesem Gefängnis, in einer Zelle, blieben wir fast bis Mai. Der Aufenthalt dort unterschied sich in nichts von dem wie es vorher gewesen war. Ein strahlender Tag war es für uns, als von Krasnows Vater ein Paket mit Lebensmittel eintraf. In der Zelle saß nur einer, der nach §58 verurteilt worden war, daher aßen wir alles selber auf.

Dort lernte ich Pjotr Wlaschtschik kennen, der bei den Deutschen als Dolmetscher gearbeitet hatte. Ich hatte Deutsch in der Schule gelernt und absolvierte bei ihm ein Praktikum in deutscher Umgangssprache. Mit ihm in der Zelle waren noch ein paar Mann, die als Wissenschaftler in geheime Konstruktionsbüros geschickt worden waren. Einer von ihnen, ein Deutscher, der der russischen Sprache mächtig war, umriß während einer Unterhaltung mit uns in groben Zügen den Aufbau einer Atombombe, erzählte von der „kritischen Masse“. Dort war auch ein jüdischer Professor, Pewsner (Peusner), ich erinnere mich nicht mehr, aus welchem Fachbereich er kam, der die ganze Zeit seine Empörung darüber zum Ausdruck brachte, daß er, ein Jude, zusammen mit deutschen Polizeiangehörigen gefangen gehalten wurde, die sein Volk ausgerottet hatten.

Zuerst nahmen sie Wanja Krasnow mit; wie ich später erfuhr, geriet er in ein Lager in Karaganda; dann entfernten sie Tima Oschtschepkow. Mitja und ich blieben bis Mai, dann schickte man uns auf Etappe in ein Übergangslager an der Station Slobino, am rechten Ufer des Jenissej.

 

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