Nachrichten
Unsere Seite
FAQ
Opferliste
Verbannung
Dokumente
Unsere Arbeit
Suche
English  Ðóññêèé

Wladimir Pomeranzew . In zaristischen und stalinistischen Gefängnissen

Die Wirtschaft schreit laut und klagt an Von Leningrad nach Krasnojarsk und „in die Freiheit“

Meine Beobachtungsgabe hinsichtlich der Mängel am Zustand und der Entwicklung der Bergbau-Industrie hat mich ins Gefängnis gebracht. Jetzt sind mir die Gründe für diese Mängel viel klarer geworden; sie standen in Zusammenhang mit der Anwendung von Zwangsarbeit im weitesten Sinne des Wortes: körperliche und moralische Zwangsmaßnahmen sowie die Unterdrückung der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen urfreiheitlichen Initiativen des Volkes von oben.

Aufgrund der Art meiner Tätigkeit im Wissenschafts- und Forschungsbereich der Markscheider-Organisation und im Produktionsbetrieb des Markscheider-Trustes besaß ich Zugang zu Statistiken über die Förderung und Gewinnung nützlicher Bodenschätze. Die Markscheiderei – das ist eine eigentümliche und originelle Bergbau-Buchführung in puncto Registrierung, Kontrolle, Förderplanung bei der Gewinnung und dem Transport von nützlichen Erzvorkoommen. In unseren Arbeiten und wissenschaftlichen Untersuchungen galt der wesentliche Teil unserer Aufmerksamkeit dem eigentlichen „Lebenselexier der Industrie“ – der Kohle. Mich hatte der starke Verfall der Kohleförderung im Jahre 1938 in Erstaunen versetzt: der Zuwachs betrug insgesamt 4 Prozent. Ich suchte mir die statistischen Angaben ab dem Jahr 1935 zusammen und entdeckte dabei, daß der Zuwachs bei der Kohlegewinnung 1937 noch geringer gewesen war – nämlich nur ein Prozent, aber 1936 war ein Zuwachs von 14 Prozent zu verzeichnen gewesen. Die Epoche des starken Absinkens der Kohleförderung fiel mit der Epoche der grauenvollen Repressionen zusammen, in der die „Überreste der bucharinschen und trotzklstischen Spione, Schädlinge, Vaterlandsverräter“ liquidiert werden sollten, wie es in Kapitel XII des Kurz-Lehrganges zur Geschichte der WKP (B), herausgegeben im Jahre 1938, hieß.

Aber vielleicht war der Rückgang der Kohleförderung auch ein lokales Erscheinungsbild, wie es nur in der Kohleindustrie spezifisch ist? Zur Überprüfung meiner Zweifel wandte ich mich der mit der Kohle benachbarten Brennstoff-Branche zu – dem Erdöl. Und hier war eine Verringerung des Zuwachses bei der Förderung innerhalb des Zeitraums 1936-1937 zu verzeichnen, die im Vergleich zum Zeitraum 1935-1936 um ein Zweifaches niedriger war; und in der Periode 1938-1939 gab es überhaupt keinen Zuwachs bei der Erdölgewinnung.

Nun, und wie verhielt es sich mit der Eisenbahn-Industrie – der Grundlage für die schwarze Metallurgie und das Maschinenbauwesen, diesen Fundamenten der Schwerindustrie und der für Verteidigungszwecke arbeitenden Industrie? Die Förderung des Jahres 1937 war auf dem Niveau des Vorjahres geblieben, d.h. der Zuwachs war gleich null! Und für das Jahr 1938 wendete sich das Blatt zu einer negativen Größe: die Förderung von Eisenerz verringerte sich in diesem Jahr um 1,2 Millionen Tonnen – verglichen mit den Vorjahren!

Ein noch viel auffallenderes Bild des Niederganges der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität ließ sich in der Mangan-Industrie erkennen; die Förderung von Manganerz, angefangen vom Jahr 1937 an, verminderte sich im Vergleich zu 1936 um

7 Prozent, 1938 – um 23 Prozent und 1939 – um 26 Prozent. Lediglich im Jahre 1940 stieg die Mangan-Förderung wieder an, erreichte aber auch dann nicht wieder das Niveau des Jahres 1936, sondern machte nur 87 Prozent davon aus. Die starke Abnahme der Mangan-Gewinnung bedeutete eine Verminderung der Mangan-Lieferungen für die Spezialstahl-Industrie, für die Rüstung. Man kann die Jahre 1935-1940 zur Periode der höchsten Blüte der Zwangsarbeit in der UdSSR rechnen und gleichzeitig zur Periode der allgemeinen Erwartung eines Weltkrieges – insbesondere eines Krieges zwischen unserem Land und Deutschland.

Die weiter oben angeführten Beispiele reichen bereits zur Illustration dessen aus, wie die Planwirtschaft unter der Leitung des „werten und geliebten Führers“ sich auf die militärische Katastrophe der ersten Jahre des Eintritts der UdSSR in den 2. Weltkrieg vorbereitete. Aber ich dehnte meine Forschungen noch weiter aus und stellte dabei folgendes fest.

Es läßt sich eine auffallende Tatsache erkennen: der starke Rückgang des Zuwachses in allen Branchen und Industriezweigen zwischen 1937 und 1940. Bei der überwältigenden Mehrheit der Produktionszweige ist nicht nur ein Rückgang des jährlichen Ausstoßes zu bemerken, sondern auch ein direktes Absinken des absoluten Produktionsvolumens. So machte im Jahre 1937 die Eisenerz-Förderung 27,8 Millionen Tonnen aus, und 1938 – 26,6 Millionen Tonnen; dementsprechend beim Manganerz – 2,8 und 2,3 Millionen Tonne; Koks – 20,6 und 19,6 Millionen Tonnen; Stahlrohre – 0,2 gegenüber 0,1 Millionen Tonnen. Für die Hauptproduktion der schwarzen Metallurgie verschiebt sich die negative Größe der jährlichen Zuwachsraten auf den Zeitraum 1938-1939: der Ausstoß von Gußeisen beträgt in diesen Jahren 14,6 und 14,5 Millionen Tonenn; dementsprechend die Stahlproduktion mit 18,9 und 17,9 Millionen Tonnen; Walzwerkserzeugnisse – 13,2 und 12,7 Millionen Tonnen. Und die gesamte Brutto-Industrieproduktion von 1939 bis 1940 steigerte sich um weniger als ein Prozent.

Man muß die Tatsache berücksichtigen, daß die beschriebene Produktionsverschlechterung bei den führenden Industriezweigen sich in den Vorkriegsjahren vollzog. Demzufolge konnten weder der Terror noch die hypnotisierende Größe des „Führers“ oder das „wissenschaftliche“ Planen den katastrophalen Folgen der Anwendung von Zwangsarbeit entgegenwirken. Die Vermutung liegt nahe, daß diese Folgen faktisch erheblich frappierender

waren, wenn man die kriecherische Rolle der Organe für Statistik berücksichtigt, welche die direkte Aufgabe hatten, durch große Taten den „großartigen, teuren und heißgeliebten Führer des Weltproletariats“ zu rühmen und zu verherrlichen.

Die unabwendbaren Folgen des Zwangsarbeitssystems konnten die Verschlechterung der Wirtschaft zwar nicht überwinden, aber bei dem für alle offensichtlichen Bewußtsein eines schnellen Herannahens des Krieges zumindest für kurze Zeit unterbrechen. Und wie bereiteten sich die Kapitalisten auf den Krieg vor? Für einen Vergleich lohnt es sich, das Wachstum des Bruttosozialproduktes in den USA heranzuziehen: im Jahre 1939 steigerte es sich, verglichen mit 1938, um 8 Prozent, 1940 ebenfalls um 8% - und 1941 um ganze 16 Prozent. Wie man sieht, hielten die Kapitalisten keine Maulaffen feil. Die Angaben über die sowjetische Wirtschaft schreien und klagen an. Weshalb? Was ist es? Unbekümmertheit oder Verrat? Weder das Eine noch das Andere: es ist vielmehr – die Vergeltung, auf die sich das russische Volk zum größten Bedauern im gesamten historischen Verlauf seiner Entwicklung, vorbereitet hat, und die in beträchtlichem Maße auf Zwangsarbeit basierte.

Vorheriges Kapitel Nächstes Kapitel Inhaltsübersicht


Zum Seitenanfang