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Wladimir Worobjew. Späte Rehabilitation

Wieder im Lager 033 . Die Ziegelfabrik

Bei meiner Ankunft im Lagerpunkt 033 kam ich nicht sofort in die Strafabteilung, sondern in die Holzfabrik, wo ich bei der Holzverladung mit einem Kran eingesetzt wurde. Diese Arbeit gefiel mir. Aber auch hier mußte ich nicht lange arbeiten. Einmal, zum Sommer hin, hielten sie mich beim Verlassen der Zone zurück und erklärten, daß es mir untersagt wäre, außerhalb der Zone zu arbeiten. Erst viel später erfuhr ich, daß in dieser Zeit in den Norilsker Lagern ein Streik im Gange war, und da ich von dort hierher gekommen war, fürchtete sich die Lagerleitung vor ähnlichen Ausschreitungen. Einige Zeit arbeitete ich überhaupt nicht, und dann gestatteten sie mir, in der Wirtschaftsbrigade zu arbeiten, die unter dem „Kommando“ von General-Leutnant Krjukow stand. In diesem Lagerpunkt blieb ich bis August 1953. Dann wurde ein Gefangenentransport, bestehend aus 120 Mann, zusammengestellt, und man schickte uns zum Lagerpunkt 06, an dem sich eine Ziegelfabrik befand. Bei der Ankunft wurden wir dort in einer gesonderten Baracke untergebracht und dazu aufgefordert, aus der Reihe der unseren einen Brigadeführer zu wählen. Unter unseren Jungs besaß ich bereits eine große Autorität, und sie alle erklärten nun einstimmig, daß ich ihr Brigadeführer sein sollte.

Damals, noch in meiner Jugend, hatten Wanja Krasnow und ich ein Gelöbnis abgelegt – niemals Vorgesetzte zu werden, und so lehnte ich die Ernennung zum Brigadeleiter ab, erklärte ihnen aber meine Bereitschaft als Essensverteiler zu fungieren, sofern sie nicht wollten, daß man sie betrügt. Häufig nahmen die Kriminellen unter den Brigadeführern die Brot- und Zuckerration an sich und „verteilten“ sie dann auf ihre Weise, und manchmal nahm der Brigadeführer die Hälfte des Zuckers und teilte den Rest an die Brigade aus. Den Brigadier stellte die Lagerleitung gewöhnlich aus den Reihen der Kriminellen auf, aber Autorität und Macht besaß er so gut wie keine. Alle hörten nur auf mich. Zu jener Zeit besaßen wir außer unserer Essensration nichts weiter: weder Geld noch irgendwelche zusätzliche Verpflegung. Gewissenhaft arbeiten bedeutete bis zur völligen Erschöpfung arbeiten.

Unsere Brigade befaßte sich mit der Beseitigeung von Holz; wir holzten um die Zone herum einen Streifen von etwa 200 m ab, damit der Wachleute im Falle einer Flucht einen besseren Überblick über das Gelände hatte. Im wesentlichen waren dies Holzfäller-Aufgaben. Wir arbeiteten mit Handsägen, warfen dann alles auf einem Haufen und zündeten ihn an. Der Brigadeführer war wütend, rannte herum und schrie: „Na los, los!“, aber ich rief ganz ruhig nach einer Stunde: „Zigarettenpause!“ Die Jungs setzten sich, ruhten sich aus, und so lange ich nicht wieder aufgestanden war, ging niemand wieder an die Arbeit.

In der Ziegelfabrik waren wir bis zum 11. Oktober 1953, danach wurden wir zu einer riesigen Gefangenenetappe zusammengestellt und mit der Eisenbahn nach Omsk geschickt. In diesen Transport wurden vor allem jene hineingenommen, welche die Lagerleitung loswerden wollte. Aber ausgerechnet wir hatten Glück. Wie sehr hatten sich die Häftlinge noch auf der Taischetsker Trasse gequält, bis zur völligen Erschöpfung – und waren umgekommen! Wir waren der Taiga entronnen und fuhren nun zu irgendwelchen Fabrikarbeiten. Zur Begleitung hatten sie einen Sonder-Konvoi bestellt, Lagerleiter war ein Oberst aus Moskau. Sämtliche Waggons waren mit Stacheldraht umwickelt, und unter den Waggons waren Gitter aufgehängt. Als mehrfach Vorbestrafter reiste ich ein wenig komfortabler, in einem „Stolypin“-Waggon.

 

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