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Wladimir Worobjew. Späte Rehabilitation

Omsk . In der Lagerabteilung 05

Wir kamen in der 5. Lagerabteilung an. Vor der Abfahrt aus Tajschet hatte man uns Geld in die Hand gedrückt. Ich hatte damals zum ersten Mal 37 Rubel erhalten, und bei der Ankunft in Omsk ging ich in den Lagerladen und kaufte einen Eimer voll Hirsegraupen. In der Baracke gab es einen Ofen, ich besaß einen Kochtopf und kochte darin jeden Tag Grütze. Die Arbeitszone war noch nicht fertiggestellt, und so konnten wir drei Monate lang nicht zur Arbeit gehen. Das war die Zeit meines ersten geistigen Aufstiegs. Irgendwann einmal, noch in meiner Kindheit, als ich in die neunte Klasse ging, machte ich die Bekanntschaft mit der Bibel und dem Evangelium, aber seitdem hatte mir der tägliche Kampf ums Leben, sowohl in Freiheit als auch im Gefängnis, nicht die Möglichkeit gegeben, um nach Höherem zu streben.

Noch im Gefängnis hatte ich mich für die Physik des Äthers interessiert, und ganz besonders die Frage: je dichter das Medium, um so größer ist die Geschwindigkeit der in ihr befindlichen Wellen. Und so konnte man anhand der Dichte die Luft, das Wassers, die Metalle und den Äthers einordnen. Die Lichtgeschwindigkeit von 300.000 km/sek, in Bezug auf die Schallgeschwindigkeit in der Luft 300 m/sek, machte deutlich, daß der Äther eine Million mal dichter ist als Luft. Wie können dann in einem derart dichten Medium Sterne, Planeten, Galaktiken sich so durcheinander bewegen? Wahrscheinlich übertragen sie einfach wellenartig ihre Form ins Weltall.

Irgendwie hatte ich meinem neuen Bekannten, meinem Bettstellen-Nachbarn Fjodor Fjodorowitsch Firsow (oder wie ich ihn nannte „F hoch 3“). Nach diesem Gespräch kam ein hagerer Mann von mittlerer Größe, mit lebhaften, klugen Augen, zu mir, sagte, daß er Kena Kutschma wäre, meine Unterhaltung gehört hätte und daß es für mich aufgrund meiner weitreichenden Interessen für mich nicht uninteressant sein dürfte, einige Dinge zu erfahren, in die er mich einweihen würde. So machte ich zum ersten Mal mit der theosophischen Lehre Bekanntschaft. Ich erfuhr, daß unsere Welt, unser Weltall in Wirklichkeit einige wechselweise ineinander übergehende Welten in sich birgt, in denen besondere körperlose Wesen leben und in die nach dem Tode die menschliche Seele hinüberwandert. Und – was ein astraler Doppelgänger, ein lebender Körper, die Welt der Vernunft, höhere Gefühle, höherer Verstand sind. Daß jede dieser Welten von einem entsprechend definierten Planeten regiert wird. So wird die materielle Welt von der Erde geleitet, die Welt des Äthers – vom Mond, die Lebensenergie – von der Sonne, die Welt der niederen Gefühle, das Kama – vom Mars, die Vernunft – vom Merkur, die höheren Empfindungen, die Schönheit, usw. – von der Venus, der Verstand vom buddhistischen Jupiter. Des weiteren lernte ich, daß der ätherische Doppelgänger am dritten Tage aus dem Körper austritt, daher wird der Körper auch am dritten Tage der Erde übergeben, daß die Lebensenergie sich nach neun Tagen ablöst, daher erfolgt der erste Leichenschmaus am neunten Tag. Daß daran anschließend das Kama (die niedere Seele) für einen Zeitraum von 40 Tagen Qualen durchmacht, die Seele Leidenschaften ausgesetzt ist, zum Beispiel verlangt die Trunksucht nach Alkohol, aber die Seele besitzt keine Werkzeuge (Arme, Beine) zur Befriedigung dieses Verlangens. Infolgedessen wird der 40. Tag gefeiert. Nach einem Jahr löst sich der Körper der Vernunft, und die Seele entweicht endgültig in die Himmelswelt. Auch jeder Wochentag ist einem bestimmten Planeten geweiht. Angefangen mit dem Sonntag, den die Sonne bezeichnet, kommen: der Mond – für den Montag, der Mars – für den Dienstag, der Merkur – für den Mittwoch, der Jupiter – für den Donnerstag, die Venus – für den Freitag, und für den Samstag – der Saturn. In solch einer Reihenfolge vollzieht sich die Evolution des Menschen. Zu Beginn der Entwicklung wird er am Sonntag geboren (ersteht auf), dann geht er ins Kindesalter hinüber – der Mond, am Dienstag –entwickelt sich in ihm das Kama – die niederen Gefühle (Leidenschaften), dann, am Mittwoch – entwickelt sich die Vernunft, am Donnerstag erwacht in ihm die Weisheit des Verstandes, am Freitag erfährt er die höheren ästhetischen und ethischen Prinzipien und am Samstag stirbt er, geht über in die Welt des Saturn.

Er machte mich mit den Grundlagen der Astrologie bekannt. Er hatte astrologische Tabellen, und wir erstellten nach ihnen mein Horoskop. Ich schrieb all diese Tafeln ab, konnte sie jedoch nicht aufbewahren, und so wurden sie auf einer der Häftlingstransporte während einer Durchsuchung beschlagnahmt. Aber mir wurde vieles von dem verständlich, was im Evangelium gesagt wird. Daraus erklärt sich auch die Entstehung meines Interesses am Christentum.

 

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