Nachrichten
Unsere Seite
FAQ
Opferliste
Verbannung
Dokumente
Unsere Arbeit
Suche
English  Ðóññêèé

P. Sokolow. Schlaglöcher

2. Buch. „Die Söldner“

Teil IV. Ritter mit Regenmantel und Dolch

Kapitel 40. Ein Schlangennest unter Lotusblüten

„Wir haben uns hier alle versammelt,
All die guten Jungs.
In guten Zeiten hätten sie uns
Wohl kaum in Freiheit festgehalten.“
(Aus meinem Werk für den turnusmäßigen „Kameradschaftsabend“)

In Walteri waren wir in einer Art Datscha untergebracht, die zwischen lauter Kiefern direkt am Ufer des Flusses stand. Er floß so langsam, dass ich lange Zeit nicht sagen konnte, in welche Richtung er eigentlich floß und es schließlich anhand der Landkarte feststellte. Das Wasser war sauber und warm, am Uferrand zog sich ein Dickicht aus Schilf und Seerosen, riesigen Wasserlilien mit zartm Duft hin – Lotusblumen, das Symbol seelischer Reinheit. Zwischen diesenLotusblüten und am Himmel über dem Fluß sah man Schwärme ebenso schneeweißer Möwen. Aber man kann keineswegs sagen, dass die Bewohner dieses stillen Eckchens von Natur aus mit dieser idyllischen Landschaft der umliegenden Natur verschmolzen. In dem Häuschen lebten etwa 20-25 Mann, alles Aktivisten, wie man sie offiziell nannte, die bereits in ganz konkrete Gruppen aufgeteilt worden waren, in Abhängigkeit von den jeweils bevorstehenden Aufgaben. Insgesamt gab es 6-7 Gruppierungen, von denen manche nur aus zwei Mnn bestanden, wie unsere, andere aus 6-8 Leuten. Die Ausbildung fand sowohl gemeinsam, als auch individuell für die einzelnen Gruppen statt. Die Führung über dieses ganze Menschengewühl hatte ein gewisser Feldwebel Semmel in seinen Händen, ein rothaariger Deutscher, der gut Ruissisch konnte. Er war ein Mann jenseits der vierzig, schwergewichtig, gutmütig und rationell.In erster Linie spielte er die Rolle eines Oberstleutnants und kümmerte sich um den Lebensalltag. Er war, zusammen mit seinem Ordinarius Serjoscha, der aus den Reihen der Kriegsgefangenen stammte, in einem separaten Häuschen untergebracht. In diesem Häuschen gab es einen Vorratsraum, in dem die Lebensmittel für die Trockenration gelagert wurden: Brot, Butter, Marmelade u.ä. Dort befand sich auch die Vorräte an Rauchwaren und Alkohol, die für uns bestimmt waren, aber Semmel, der uns gar nicht erst an diese unheilvollen Gewohnheiten heranführen wollte, vernichtete den Schnaps selber, zusammen mit Serjoscha, aufgrunddessen beide nur selten nüchtern waren.

Warmes Essen brachte Serjoscha auf einem zweirädrigen Pferdekarren aus Assari herbei. Die Ausbildung wurde von verschiedenen Instrukteuren vorgenommen. Die Organisation des gesamten Unterrichtsprozesses realsierte ein gewisser Oberleutnant Jakowenko, ebenfalls einer der Kandidaten für die Verlegung ins Hinterland. Unter jenen, die ich in dieser Spionage-Schule antraf, befand sich auch mein früherer Bekannter aus Petschki – Aleksej Mischin. Die farbenprächtigsten Gestalten hier war ein gewisser Iwan Trunow - ein Bursche von 26-28 Jahren mit einer widerwärtigen Visage, der Sohn eines ehemaligen Popen, der die Sowjetmacht haßte. An einem grünen Band trug er eine Medaille, die ihm von Wlassow-Leuten und anderen Helfershelfern aus den Reihen der sowjetischen Bürger wegen irgendwelcher Dienste vor den Deutschen verliehen worden war. Was für Dienste das genau gewesen waren, das erfuhr ich schon bald darauf von Trunow selbst, der an der Vernichtung der Juden im Warschauer Ghetto beteiligt gewesen war und mit Vergnügen besonders genüßlich damit herumprahlte. Ich haßte ihn für diese Erzählungen und schwor mir in meinem tiefsten Inneren, dass ich ihn bei nächster Gelegenheit wie einen räudigen Hund erschießen würde. Leider kam eine derartige Gelegenheit nicht zustande, und später verschwand Trunow unerwartet und urplötzlich aus meinem Gesichtsfeld. Das einzig klare Gefühl, mit dem Gott Trunow ausgestattet hatte, war die zarte Liebe zu seiner Schwester Nina, einem stillen Mädel von 19 Jahren, die mit uns zusammen wohnte und die Iwan zur Erfüllung seiner Aufgabe als Funker mitnehmen wollte. Von den anderen gibt es nichts Besonderes zu schreiben. Jeder hatte seine ureigensten Charaktereigenschaften, aber keiner unterschied sich von den anderen in besonderer Weise. So lebten wir nicht allzu lange beisammen. Der eine ging, ein anderer kam. Im Haus wurde es eng, und ein Teil der Leute wurde ans andere Ufer verlegt. Dort stand ein zweigeschossiges, aus Stein gebautes Haus. Möglicherweise hatte sich darin früher einmal eine unvollständige Schule befunden, denn in der einen Hälfte wohnte eine schon nicht mehr ganz junge Lehrerin, die nicht schlecht Russisch sprach, mit ihrer Familie. In der zweiten Hälfte wurden Sosiska und ich untergebracht – in einem Zimmer im Erdgeschoß, und in einem ebensolchen Raum, nur eine Etage über uns, wurde Maschkarzews Gruppe einquartiert. Die dritte und zahlenmäßig größte Gruppe, zu der auch Mischin gehörte, zog es vor, in einem Zelt auf der Waldlichtung Quartier zu beziehen, vom Haus durch ein Gebüsch und Bäume getrennt. Ich wurde zum Vorgesetzten unserer Uferseite ernnannt. Eigentlich war dieses Amt nur rein symbolisch zu verstehen und bestand in der Zusammenstellung der Truppe für die nächtliche Streife sowie der Kontrolle bei der Verteilung des Essens, welches der Diensthabende in Thermosbehältern mit einem aufblasbaren Gummiboot anlieferte. Es gab zwei solcher Boote, und sie gewährleisteten die Kommunikation zwischen den beiden Ufern und den Bedarf an „kultureller Erholung“. Am Morgen setzten wir zu Exerzierübungen ans andere Ufer über, wo Turnow, der an der Spitze der linken Uferbewohner stand, uns sogleich antreten ließ und Semmel Meldung machte. Es herrschte eine miserable Disziplin, und selbst der simple Morgenappell verwandelte sich in ein Problem. Einmal brauste Semmel auf und schrie Trunow an: „Nun sehen Sie doch endlich zu, dass Sie diese Chaotenbrut in Reih und Glied aufgestellt kriegen!“ Nachdem es jenem gelungen war entsprechende Ordnung herzustellen, fügte er keck und mit triumphierendem Unterton hinzu: „Zu Befehl – Chaotenbrut aufgestellt!“ Verständlich, dass normalerweise niemand sich über einen derartigen Vergleich erboste hätte, um so mehr als er die Sachlage nur allzu genau widerspiegelte, aber Trunow konnten sie alle nicht ausstehen und erhoben deswegen einen Tumult, wobei sie ihn der Beleidigung des Kollektivs und der Nichtachtung unserer Menschenwürde beschuldigten. Da begann nich nur Trunow, sondern auch Semmel, geschäftig hin- und herzueilen, sich zu entschuldigen und sich so zu bemühen, den Skandal wieder glattzubügeln. In unserer Freizeit badeten wir im Fluß oder angelten, wenn man unsere öffentliche Wilddieberei so bezeichnen kann. Nachdem wir in die Mitte des Flusses hinausgefahren waren, ließen wir eine Handgranate ins Wasser herab; es ertönte ein leises Plätschern, und schon tauchte an der Oberfläche ein ganzer Schwarm Fische auf. Die großen fischten wir uns heraus, während sich die Möwen, die in Scharen auf das Wasser herabgestürzt kamen, innerhalb von Sekunden über die zahllosen kleinen Fischchen hermachten, um sich ohne großen Aufwand die Bäuche vollzuschlagen.

Etwa einen halben Kilometer weiter flußabwärts gab es eine Anhöhe aus sauberstem Sand. Wir fuhren mit dem Boot dorthin, um uns ein wenig von der Sonne bräunen zu lassen; manchmal gingen wir auch zufuß durch den Wald, der mit dichtem Heidelbeergestrüpp bewachsen war, das buchstäblich unter den Füßen knackte. Zu unserer Gruppe kam noch ein weiterer Mann dazu – Wasja Kurganow, ein Bursche von etwa 25 Jahren, der früher einmal Arbeiter in der Wakinsker Schuhfabrik gewesen war. Er war nicht sonderlich gesprächig, aber wir erfuhren, dass man ihn in Vorkriegszeiten irgendwelcher kleineren Vergehen bezichtigt hatte, was zu Reibereien und Unannehmlichkeiten mit der Miliz geführt hatte, und dass er, wie ein gerupftes Huhn, im Schlaf in Kriegsgefangenschaft geraten war. Im Großen und Ganzen war Wasja ein ruhiger und fügsam-nachgiebiger Mitbewohner,und wir lebten einträchtig miteinander. Er war als Melder zu uns gestoßen, denn er kannte den Kommandeuer jener Gruppe persönlich, mit der wir abfliegen sollten. Doch die Zeit verrann, und die Sache mit unserer Verschickung kam erneut nicht voran. Während dieser Zeit ereignete sich ein Ausnahmezustand. Einmal, als wir gerade zusammengekommen waren, um das Boot wegen des Mittagsesens loszuschicken, tönten von jener Uferseite zwei Schüsse herüber. Das wunderte auch niemanden. Aus lauter Langeweile übten wir uns des öfteren im Schießen, jeder wann und wo er wollte. Aber als wir ans andere Ufer übergesetzt hatten, erfuhren wir, dass einer der Burschen aus Mischins Gruppe - wie ich mich jetzt erinnere, hieß er Koschelew – zuerst Nina, Trunows Schwester, und dann sich selbst erschossen hatte. Als wir eintrafen, war das Zimmer, in dem sich die Tragödie ereignet hatte, bereits voller Menschen. Beide waren tot. Die Kugel war Nina ins Kinn eingedrungen und hatte offenbar die Schädelbasis und den längeren Teil des Gehirns durchschlagen; sie muß augenblicklich tot gewesen sein. Koschelew hatte eine Schußwunde in der rechten Schläfe. Trunow schluchzte herzzerreißend. Alle gingen schweigend auseinander; sie waren von diesem unverständlichen Verbrechen zutiefst erschüttert. Dann kam die Trauerfeier. Die Totenmese wurde in der Kirche eines nahegelgenen Dörfchens gehalten, die beiden wurden in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt, und das Leben ging wieder seinen gewohnten Gang. Zu jener Zeit bekam ich plötzlich Zahnschmerzen. In Assari konnte mir niemand helfen, deswegen gaben sie mir eine Reiseerlaubnis zur zahnärztliche Klinik nach Riga. Dort waren immer viele Menschen, hauptsächlich Soldaten aus der lettischen Division, aber die Warteschlange kam schnell voran. Es wurden Nummern auf verschiedenfarbigem Papier ausgegeben, und ein niedliches Krankenschwesterlein schrie ab und an auf Lettisch: „Grün – drei!“ Oder: „Blau – zehn!“, und wiederholte es anschließend noch einmal für diejenigen, die es nicht gleich mitbekommen hatten, auf Deutsch. Ich geriet an einen deutschen Arzt. Er weigerte sich den Zahn zu ziehen; er meinte, dass man ihn lieber behandeln sollte. Die Schmerzen kamen aus dem Eckzahn. Er bohrte ein tiefes Loch in den Zahn, entfernte den Nerv und legte anschließend ein Medikament in die Öffnung; dabei verlangte er kategorisch, dass ich in zwei Tagen wiederkommen sollte, auf keinen Fall später. Der Schmerz verging, ich blühte wieder auf und hatte es mit der nächsten Sprechstunde überhaupt nicht eilig. Als ich endlich dort antanzte, brüllte der Arzt mich furchtbar an; aber nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass es zu keinerlei Komplikationen gekommen war, meinte er, dass ich unheimliches Glück gehabt hätte. Er plombierte den Zahn, der mir dann übrigens noch dreißig Jahre erhalten blieb. Jedenfalls waren die Befürchtungen des Arztes unbegründet, und ich mußte erst etliche Wochen später wieder daran denken. Einstweilen wurde der turnusmäßige „Kameradschaftsabend“ organisiert. Man bereitete sich sehr sorgfältig darauf vor. Einer der Unseren, ein Tatar aus Kasan, ein hervorragender Künstler, zeichnete von jedem eine Karikatur, bereitete Lieder und Geschichten vor. Ich machte mich gewohnheitsmäßig an das Verfassen von Versen. Die Veranstaltung sollte an unserem Ufer stattfinden, in jenem großen Klassenzimmer, in dem ich mit meine Kameraden einquartiert war. Mit Booten wurden fehlende Stühle und Bänke, Essen und Getränke herangeschafft. Auch Semmel und Leutnant Graife sowie einige Instrukteure kamen. Es wurden nur wenige Reden gehalten, genauer gesagt: sie waren nicht lang und ähnelten eher kurzen Trinksprüchen. Sprüche, die durch eifriges Essen und Trinken bestärkt wurden, wechselten sich mit Laienspiel- Aktivitäten ab. Ich kann mich nicht mehr erinenrn, was genau wer sang oder sprach. Ich weiß nur noch, dass Oberstleutnant Jakowenko in hervorragender Weise eine Szene auf einem Pferdehof zum Besten gab und die Geschichte von Majakowskij vorlas, wie jener der Sonne Tee anbot. Ich zitierte meine Verse, anfangs lyrische, die mit folgenden Worten begannen:

„Ich stehe am Fluß. Auf der Schulter ein Gewehr.
Am Ufer friedlich, aber unruhig schlafende Jungs...“

Anschließend ging ich zur Krlnung meines Genres über: Der Anfang steh bereits als Epigraph über diesem Kapitel, und dann widmete ich mich den Persönlichkeiten:

„Der Kommandant ist immer freundlich,
Immer fröhlich, gutmütig,
An keinem der Feiertage
Trinkt irgendeiner Wasser.

Sein Adjutant ist Serjoscha,
Er hat stets eine verschlafene Fratze,
Er zählt den Tabak, die Zigarren,
Und dünstet Weingeruch aus.

Bei uns gibt es noch einen
Sympathischen Herrrn.
Er achtet auf Ordnung,
Meldet alles den Vorgesetzten,
Verteilt den Tabak an uns,
Und am Morgen läßt er die „Chaotenbrut „ in Reih und Glied Aufstellung nehmen“.

Auch Jakowenko ließ ich nicht aus.

„Ein rastloser Zimmerbewohner -
Das ist der Oberstleutnant.
Im Laufschritt jagt er einen durch die berge –
Prügelt Disziplin in uns hinein,
Denn in dieser guten Sache
Haben wir noch keine großen Fortschritte gemacht“.

Diese Verse wurden mit Gelächter und Beifall nach jedem Couplet aufgenommen. Aus verständlichen Gründen klatschten jedoch nicht alle. Nachdem ich fertig war, setzte sich Trunow zu mir. Offenbar hatten die Verse ihn verletzt; er fühlte in mir eine gewisse Gefahr und wollte mich nun ein wenig geneigter machen. Er war schon ziemlich angeheitert, roch nach Schnaps und flüsterte mir ins Ohr, dass es hier vor Gesindel nur so wimmele; der größte Lump unter ihnen sei Mischin, dass er ihn schon lange des Doppelspiels verdächtige und ihn bald entlarven werde. Als er davon überzeugt war, dass „er mich nun zu seinen Gunsten umgestimmt hatte“, ließ er von mir ab. Aber da wurde eine Unterbrechung angekündigt, und Leutnant Greife rief mich zu sich, um mit mir eine Zigarette zu rauchen. Er sah noch ganz frisch aus, obwohl er dem Schnaps ebenfalls schon zugesprochen hatte. Die Unterredung gestaltete sich nicht gerade angenehm. Sehen Sie, sagte er, Sie drängen alle zum geplanten Abflug (das war als Antwort auf einige Zeilen ausmeinen Versen), aber faktisch sind sie zur Arbeit gar nicht bereit. Sie finden sich nicht mit den Menschen ab, mit denen sie im sowjetischen Hinterland zusammenarbeiten sollen. Nach ja – und in diesem Geiste ging das ganze Gespräch weiter. Ich war ebenfalls in ausgezeichneter Form, aber dennoch hatte der Alkohol meine Vorsicht ein wenig abgestumpft, so dass ich mit scharfen Worten sprach. Weshalb sollte ich eigentlich Trunows Henker küssen? - fragte ich unausweichlich. Ich war damit einverstanden, mit ihnen die Ausbildung zu machen, nachdem ich ihnen mein Leben und meine Freiheit anvertraut hatte, obwohl ich hier niemandem Glauben schenke. Wenn sie erst einmal die Ihren verraten haben, werden sie Sie und mich mit noch viel größerer Leichtigkeit verraten.

„Aber wo soll man denn sonst die Besten hernehmen?“ – antwortete Graife und fügte verärgert etwas hinzu, in dem Sinne, dass die Besten mit uns ja gar nicht mitgehen wollten ... Da stockte er plötzlich. Wir sahen einander in die Augen und waren uns schweigend einig, dass wir etwasÜberflüssiges gesagt hatten, das unbedingt unter uns bleiben mußte. Am nächsten Tag rief ich Mischin heraus und erzählte ihm von der gestrigen Unterhaltung mit Trunow. Er nahm es verächtlich auf, so, als ob er Trunow gern im Grab sehen würde. Der könnte ihm jedenfalls nichts anhaben. Ich sagte bereits früher, dass Mischin schon mehrmals solche gefährlichen Gedanken ausgesprochen hatte; deswegen riet ich ihm ein wenig vorsichtiger zu sein. Du sollst wissen – ich habe dich gewarnt. Eine weitere Woche verging, vielleicht waren es auch zehn Tage, und da bekam ich Kofschmerzen und die Nase schmerzte. Ich wandte mich an unseren Kurpfuscher in Assari, der gab mir Tabletten, aber sie halfen nicht. Ich Lag längere Zeit, und das Ganze kam mir nicht geheuer vor. Dann wurde der Aufbruch zu allen möglichen Marschübungen organisiert, die zu einer Art Reifeprüfung für den Spionageabwehr- Spezialisten dienen sollten. Ich konnte aufgrund meiner Erkrankung nicht mitgehen und geriet deswegen auch nicht in eine heikle Lage. Die Sache kam so. Nachdem sie einen Teil des Weges gegangen und eine Reihe von Übungen absolviert hatte, machte die Gruppe Rast, um in einer Scheune das Nachtlager aufzuschlagen. In der Nacht wurden sie von lettischen Polizei-Einheiten umzingelt; man verlangte, dass sie sich ergeben sollten. Alle Versuche, die Situation zu erklären, führten zu nichts. Nach der Weigerung sich zu ergeben, eröffneten die Letten das Feuer und verwundeten dabei zwei von uns. Danach waren sie zur Kapitulation gezwungen. Die Angelegenheit klärte sich schnell auf, die Unseren wurden entlassen, nachdem sie sich zuvor telefonisch mit Assari in Verbindung gesetzt hatten, aber Maschkarzew und Rudnik mußten ins Krankenhaus gebracht werden. Maschkarzew hatte eine schwere Bauchverletzung erlitten, Rudnik war durch und durch von Kugeln durchlöchert. Eine Kugel war auch in die linke Geäßhälfte eingedrungen und am rechten Arm wieder ausgetreten. Um auf diese Episode nicht wieder zurückkommen zu müssen, sage ich, dass beide drei Wochen später wieder vor mir auftauchten. Rudnik sah aus wie ein kleines Gürkchen, und Tolja Maschkarew krümmte sich noch vor Schmerzen. Man brachte sie zur weiteren Behandlung nach Deutschland. Als ich in Assari eintraf, befand sich die Front noch bei Pskow und Witebsk, aber in diesem Sommer veränderte sich vieles. Pskow wurde eingnommen, die Deutschen wichen unter dem Ansturm zurück, verteidigten sich hartnäckig und setzten sich schließlich bei dem Städtchen Madona fest, das etwa 80-100 Kilometer von Riga entrfernt lag. Aber in Weißrußland mußten die Deutschen, als Ergebnis der „Operation Bagration“, eine vernichtende Niederlage einstecken, und die Front bewegte sich weiter nach Westen, wobei sie die baltischen Republiken von Süden her umging.

 

Inhaltsverzeichnis Vorheriges Kapitel Nächstes Kapitel


Zum Seitenanfang